© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Kein Verbraucherschutz
Theater: Ein Rückblick auf die Salzburger Festspiele
Werner Veith

Wer im Reisebüro ein Hotel direkt am Strand versprochen bekommt, in Wirklichkeit aber einen langen Fußmarsch zum Meer zu bewältigen hat, hat Anspruch auf Teilerstattung der Reisekosten und kann in eklatanten Fällen auf Schadenersatz für das entgangene Urlaubsvergnügen klagen. Dieser Kundenschutz gilt inzwischen in allen Bereichen der Wirtschaft, noch nicht dagegen in der Kultur.

Beispiel Salzburger Festspiele: Seit November 2000 kündigen Werbebroschüren die Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß an. Eintrittskarten bis zu 600 Mark sollen unters Volk gebracht werden. Bei der Premiere im August 2001 heißt es dann im Programmheft lapidar: Der Operettentext ist „in einer Bearbeitung von Hans Neuenfels“.

Viele Zeitungskommentatoren sahen in der „Fledermaus“-Zerstückelung eine antifaschistische Abrechnung mit Österreich - quasi der Abschiedsgruß des künstlerischen Leiters der Salzburger Festspiele, Gerard Mortier. Wahrscheinlich war es jedoch nur postmoderner Klamauk, wenn der Gefängniswärter auf der Bühne erklärt: „Denn Frösche sind Antifaschisten. Im Gegensatz zu Goldfischen, die größtenteils evangelisch sind, Kapitalisten und kalte Lutheraner, sind Frösche eher katholisch. Das macht ihren Widerspruch aus, ihre ständige Zerrissenheit. Zwa aus Ottokring, die ghören zam, weil sie zwa Zwetschgen san vom selben Bam ...“ Und wenn jugendliche Schläger den Dr. Blind einfach so zusammenschlagen und ihm die Brille wegnehmen, dann ist auch nicht klar, was das dem Zuschauer sagen sollte. So geht es stundenlang mit Polit-Parolen und Schweinekram auf der Bühne der Felsenreitschule zu. Zwischendurch schreit Prinz Orlofsky ins Publikum: „Haut endlich alle ab“ und erntet so manchen Zwischenruf. Regisseur Neuenfels änderte nicht nur den Sprechtext, sondern auch die Musik. Es wurde gekürzt, parodiert und Musikstücke von Arnold Schönberg und Franz Liszt auf Band eingespielt. „Mehr Livemusik“, rief ein Zuschauer. Die Sänger sollten nicht schön singen, sondern die Fledermaus zerstören. Anstelle eines leichten Operettengesangs schrie, grunzte und krächzte Prinz Orlofsky, taumelnd im Kokainrausch. Deshalb warnt die österreichische Tageszeitung Kurier ausdrücklich vor dem Theaterbesuch und fordert geschädigte Kunden zu Schadenersatzklagen auf.

Der musikalische Höhepunkt der Saison ist dagegen Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“. Dort waren einige der weltbesten Frauenstimmen versammelt: Susan Graham in der Rolle des Komponisten, Deborah Polaski als Ariadne und Natalie Dessay als Zerbinetta. Dort konnte die Augen schließen, wem das Bühnenbild zu einfältig und düster erschien, und der perlenden Musik lauschen, gespielt von der Wienern Philharmonilkern unter Leitung von Christoph von Dohnanyi.

Als Fazit nach zehn Jahren Gerard Mortier kann festgehalten werden: Wirklich gut sind bei den Salzburger Festspiele, dem wichtigsten Klassikfestival der Welt, meist nur Orchester und Sänger. Mittelmäßig dagegen oft die Regie und das Bühnenbild. Da bieten die Provinztheater in Augsburg, Nürnberg oder Würzburg manchmal mehr. Somit kann man lediglich die Karten für klassische Konzerte bedenkenlos im voraus bestellen. Für Opernaufführungen sollte man lieber in die kostenlosen Generalproben gehen, die meist zwei Tage vor den Premieren stattfinden. Oder man kauft am Aufführungsabend noch seine Karte - oft zum halben Preis, direkt am Opernhaus.

Das Programm der Salzburger Festspiele für das Jahr 2002 gibt es ab November 2001 beim Kartenbüro, Hofstallgasse 1, A-5020 Salzburg, oder im Internet unter „ www.salzburgfestival.at “. Günstige Karten zu 40 Mark gibt es für Jugendliche bis zum Alter von 26 Jahren unter der obigen Postadresse. Eine Fernsehübertragung von „Ariadne auf Naxos“ ist am 5. September 2001 auf ARTE zu sehen.


 
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