© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Giftige Rosen aus Kenia
Floristik: Umweltschutz und Menschenrechte spielen bei der Schnittblumenzucht oftmals keine Rolle
Martina Kempf

Blumen schenken, heißt Freude schenken. Wie reichhaltig dieses Angebot in Deutschland ist, konnte letzte Woche auf der Internationalen Floristik-Messe in Essen bewundert werden - oder bis 7. Oktober auf der BUGA in Potsdam. Die Niederlande sind nach wie vor wichtigster Lieferant von Schnittblumen für Deutschland. Im Jahr 2000 bezogen deutsche Blumenhändler Schnittblumen im Wert von 1,3 Milliarden Mark (1990: 1,4 Milliarden Mark) aus den Niederlanden, das waren 88,6 Prozent (1990: 84,8 Prozent) der insgesamt eingeführten Schnittblumen (Gesamteinfuhr 2000: 1,5 Milliarden Mark, 1990: 1,7 Milliarden Mark).

Fast die gesamte Einfuhr von Chrysanthemen (Einfuhr insgesamt: 96 Millionen Mark, Anteil der Niederlande: 99,3 Prozent) und Gladiolen (insgesamt sechs Millionen Mark, Anteil: 97,5 Prozent) kamen aus dem benachbarten Königreich. Auch Orchideen wurden überwiegend aus den Niederlanden eingeführt (2000: 86,3 Prozent, 1990: 84,7 Prozent), aus dem „klassischen“ Orchideenland Thailand stammten 12,3 Prozent (1990: 12,1 Prozent). Niederländische Rosen und Nelken wurden für 337 Millionen Mark bzw. 53 Millionen Mark (Rosen 82,3 Prozent, Nelken 62,8 Prozent) importiert.

Im Zuge der Globalisierung erhöhten aber auch andere Lieferländer ihre Ausfuhren nach Deutschland seit einigen Jahren deutlich: So kamen etwa 5,2 Prozent der Rosen aus Kenia (1990: 0,7 Prozent) und 21,7 Prozent der Nelken aus Kolumbien (1990: 7,8 Prozent). Doch gerade bei solch „exotischen“ Lieferanten steckt hinter der schönen Pracht oft der Einsatz von Pestiziden mit gesundheitlichen Folgen für die Arbeiterinnen auf den Feldern oder in den Gewächshäusern. Die Arbeitsbedingungen in den außereuropäischen Produktionsländern sind miserabel. Wer etwa im wichtigsten Produktionsstandort Kolumbien für bessere Arbeitsbedingungen eintrat und sich einer Gewerkschaft anschloß, wurde entlassen. Dieser Umstand rief 1991 die Nichtregierungsorganisation FIAN (Food First Informations- und Aktionsnetzwerk) auf den Plan. Zusammen mit „Brot für die Welt“, „terres des hommes“ und anderen potenten Organisationen wurde Lobbyarbeit betrieben. Im Januar 1999 kam mit Importeuren und Floristikbetrieben ein Übereinkommen über sozial- und umweltverträgliche Schnittblumen zustande. Kernpunkte sind dabei im einzelnen die Gewerkschaftsfreiheit, Festanstellung und existenzsichernde Löhne, Verbot der Diskriminierung von Frauen, der Kinder- und Zwangsarbeit, Schutz der Gesundheit und Umwelt durch Reduktion des Pestizideinsatzes.

Erste Verbesserungen hat das Projekt bereits gebracht. Blumen werden programmgemäß gezüchtet und verkauft. In Simbabwe erhalten nach Auskunft von FIAN mittlerweile alle Frauen neuerdings einen bezahlten Schwangerschaftsurlaub von drei Monaten. In Kenia wurden unterdessen Wiederbetretungsfristen von sechs bis 24 Stunden in Gewächshäusern nach dem Einsatz von Pestiziden eingeführt. Akute und chronische Vergiftungen konnten so verhindert werden. Aus Ecuador ist zu vernehemen, daß eine große Zahl der Beschäftigten nun in den Genuß von Festverträgen kommen, die erst eine geregelte Lebensplanung ermöglichen.

Damit ist nur ein Anfang getan, denn der Großteil der Blumen stammt nach wie vor aus herkömmlicher Produktion, und viele Frauen können von besseren Arbeitsbedingungen bislang nur träumen. Um für immer mehr Frauen in den vielen fernen Ländern Träume wahr werden zu lassen, setzt FIAN auf einen wachsenden Absatz von menschenwürdig und umweltschonend gezüchteten Schnittblumen. Verbraucher sollen hierzulande ihre Verantwortung leichter wahrnehmen können, indem ein Siegel des sogenannten „Flower Label Programms“ in Floristikgeschäften auf die Verfügbarkeit entsprechender Pflanzen hinweist.

In den meisten größeren Städten Deutschlands gibt es Blumengeschäfte mit einem solchen Siegel. Allein in Berlin sind es bereits über dreißig. Die genauen Anschriften können im Internet unter www.fian.de/blumen/haendler.pnp3  abgefragt werden oder per Post erfahren werden: FIAN:, Overwegstr. 31, 44625 Herne (Telefon: 023 23 / 49 00 99 oder per Fax: 023 23 / 49 00 18). 


 
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