© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001

 
Helmut Holter
Sinn fürs Reale
von Christian Vollradt

Obwohl eine „bevorteilende Einflußnahme“ seines Staatssekretärs Joachim Wegrad angeblich nicht vorlag, hat am vergangenen Donnerstag der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter (PDS), jenen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Damit versucht der stellvertretende Ministerpräsident, seinen Kopf aus der Schlinge einer Affäre zu ziehen, die flapsig als „Muttischiene“ bezeichnet wird: Aus dem Arbeitsministerium flossen auffallend hohe Fördermittel an eine Fortbildungsfirma, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Staatssekretärs ist und in der die Gattin des Ministers arbeitet. Die sprichwörtliche Dickköpfigkeit der Landeskinder unter dem Ochsenkopfwappen mag dem aus Ludwigslust stammenden Holter nun zugute kommen.

Dabei müßte ihm die Notwendigkeit, errungene Macht verbissen zu verteidigen, aus seinem Geburtsjahr 1953 vertraut sein: Der kleine Helmut lag noch keinen vollen Monat in seinen Windeln, da erhoben sich im Land der Werktätigen selbige so sehr, daß die Segnungen des Sozialismus nur mit Hilfe sowjetischer Panzer verteidigt werden konnten. 1976 durfte der adoleszente Holter dann beim vorbildhaften Brudervolk in Moskau studieren, wo er auch seine spätere Ehefrau Karina kennenlernte; im Gegensatz zu der institutionalisierten Form, die trotz Blumenüberreichung und Balalaikamusik nie über eine verordnete „Herzlichkeit“ hinausging, erwuchsen aus dieser deutsch-sowjetischen Freundschaft sogar zwei Töchter.

Als Diplomingenieur verschrieb sich Holter dann dem Werkstoff, der konkret wie bildlich das Überleben des real-existierenden Sozialismus sicherte: Beton. Bei VEB Beton Nord machte er Karriere vom Produktionsleiter bis zum Sekretär der Betriebsparteiorganisation, bevor er 1985 wieder nach Moskau geschickt wurde. Die Parteihochschule der KPdSU verließ er zwei Jahre später als Diplomgesellschaftswissenschaftler und reüssierte bei der SED-Bezirksleitung in Neubrandenburg, bis 1989 der Beton des Arbeiter-und-Bauern-Staates endgültig nachgeben mußte. Für den wendigen Doppeldiplomierten bedeutete dies indes keinen Karriereknick, denn keine zehn Jahre später schmiedete Holter zusammen mit Harald Ringstorff die erste rot-roteste Koalition und verkündete im Fernsehen, die PDS werde Regierungspartei und Systemopposition zugleich sein.

Eigentlich haben Holter und Genossen - ein ehemaliger FDJ-Funktionär, ein ehemaliger DDR-Staatsanwalt und ein ehemaliger NVA-Offiziersausbilder - mit ihrem internen Millionentransfer nur konsequent angewandt, was sie einst im blauen Hemd gelernt hatten. Im Lehrbuch über den Wissenschaftlichen Kommunismus hieß es, das „kollektive Prinzip“ bestehe „in der gegenseitigen Unterstützung, der engen Zusammenarbeit der Menschen, die auf eine Verbindung der persönlichen mit den gesellschaftlichen Interessen gerichtet ist ...“. Noch Fragen?


 
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