© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001

 
Kein Kampf ohne Trauma
Psychologie für den Einsatz
Matthias Bäkermann

Kein geringerer als Friedrich Schiller hat als württembergischer Regimentsmedicus seine Dissertation über die „Soldatenkrankheit“ geschrieben. Damit wurden Probleme wie Heimweh und Angst beschrieben, die bei den oftmals gepreßten Soldaten vorkamen. Im Ersten Weltkrieg sind Fälle des „Kriegszittern“ bekanntgeworden, welches traumatisierte Soldaten beschrieb, die in der Hölle des Trommelfeuers oder in verschütteten Unterständen psychisch zusammengebrochen sind.

Nun ist ein Buch herausgekommen, das sich ebenfalls mit den „seelischen Verwundungen“ von Soldaten der heutigen Zeit beschäftigt. Die 46 Autoren, vielfach Psychologen und Offiziere der Bundeswehr und des österreichischen Bundesheeres, die Erfahrungen aus Auslandseinsätzen und Unglücksfällen wie dem Zugunglück von Eschede haben, fassen ihre Erlebnisse erkenntnisorientiert zusammen. Dabei werden auch Kenntnisse aus „heißen Einsätzen“ der Amerikaner und Israelis berücksichtigt.

Die Autoren schreiben kompetent und für den Laien verständlich, nur vereinzelt sind die Aufsätze in ermüdendem Bundeswehr-Dienstvorschriften-Deutsch verfaßt. Bei der Betrachtung des Phänomens battle fatigue, eines Ausfalls des Soldaten aus psychischen Gründen, neigt man jedoch dazu, überall psychologische Problemstellungen hineinzuinterpretieren, wo es oft nur um menschliche Reaktionen geht. Leitend sollte immer die intakte Persönlichkeit sein, die eine gewisse Robustheit besitzt, um nicht bei jeder sich bietenden Grenzerfahrung kollabiert.

Grundsätzlich positiv ist bei dieser Thematik der Versuch zu bewerten, für die Soldaten präventiv die Streßbewältigung eines Einsatzes zu erleichtern und der Traumatisierung entgegenzuwirken. Leider werden Forderungen nach Primärtugenden eines Soldaten wie Mut, Tapferkeit und (Selbst)disziplin auf keiner Seite des Buches vorangestellt. Für den Regimentmedicus Schiller mögen diese noch Grundlage der Betrachtung seiner Studien gewesen sein.

 

Klaus Puzicha, Dieter Hansen, Wolfgang Weber (Hrsg.): Psychologie für Einsatz und Notfall, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2001, 528 Seiten, 48 Mark


 
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