© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001

 
Der schale Geschmack am Morgen danach
Kino (II): „Lammbock - Shit happens“ von Christian Zübert
Ellen Kositza

Christian Züberts Debütstück ist zugleich der hundertste deutsche Kifferstreifen. Zusätzlich ist es der hundertste „stark autobiographisch gefärbte“ und konkret verortete (hier ist es Würzburg) Film in jüngerer Zeit. Ja, wer möchte das nicht, mal die ganzen dollen Dinge, die einem bislang so widerfahren sind, auf Zelluloid bannen und herzeigen. Selbstverständlich ist auch, daß junge Leute eben Haschisch rauchen, was sollten sie auch sonst tun in der Zeitspanne zwischen Abitur und Zivildienstende. Irgendwie rebellisch ist das längst nicht mehr, wird hier auch gar nicht so dargestellt, ist eben Minimalstandard des Nichtaußenseiterseins. Kiffen macht dröge und egal. „Ich kiffe, um zu vergessen, daß Jugend anders sein könnte als dröge“, könnte ein derart Zugedröhnter dem Kleinen Prinzen geantwortet haben.

Kai und Stefan, ganz nette Jungs, rauchen nicht nur allerlei Cannabis-Produkte, sie bauen die Pflanzen auch in größerem Stil an und verkaufen die Ernte in einem als Pizza-Service („Lammbock“, der Name ein Insider-Gag aus Züberts Jugend) getarnten Haschladen. Es sind freundliche Dealer, gänzlich uneingebunden in irgendwelche mafiöse Strukturen, sie hängen halt so ab in ihrer provisorischen Geschäftsbude oder auf Wochenendvergnügungen und führen die belanglosen und leidlich witzig dahingelaberten Halbwüchsigen-Gespräche über die Welt der Medienstars, über Hausmacher-Philosophie und die nächste Tüte, die gerade gedreht wird.

Wer derselben Generation angehört (Jungregisseur Zübert ist Jahrgang 1973), kennt das bis in die jeweiligen Pointen; man kennt die Typen, die Parties und den schalen Geschmack am Morgen danach.

Stefan (Lucas Gregorowicz) studiert und hat seit Jahren ein Freundin, Kai ist Moritz Bleibtreu, ein Nichtsnutz und gleichzeitig „bester Freund“ von Stefans Schwester. In Querelen geraten die Freunde, als sich ein verdeckter Ermittler auf ihre Spuren heftet und mit der Cannabis-Plantage im Wald auch das freie Leben der beiden Jungs bedroht scheint. Dazu kommt ganz privater und auch ziemlich lebensabschnittgemäßer Ärger, Kai macht einen Aids-Test, Stefan stellt die Frage nach der Liebe und danach, ob vertraute Innigkeit Begehren ausschließt, Kai wird verführt und kriegt keinen hoch, Stefan zweifelt am Jurastudium.

Das ist so unterhaltsam, wie in fremden Tagebüchern Gleichaltriger zu schnüffeln, nicht mehr, nicht weniger. Generation Golf eben. Gesellschaftskritik klingt an und wieder ab, vorzüglich ist allein die zehnsekündige wortlose Sequenz, in der im Prüfungssaal ein angehender Jurist mit Schmerbauch, ausgehendem Haar und Wohlstandsgrinsen feisthändig und neckisch die vergoldeten Mini-Waagschalen, seinen Talisman, anstupst und dabei weiß: Ich hab’s geschafft. Der jedenfalls hat nicht gekifft.

Anläßlich des kürzlich erstmals verliehenen deutschen Filmpreises „Lola“ wurde wieder einmal viel genörgelt über die Malaise des deutschen Kinos. „Kein Schlöndorff mehr, kein Fassbinder!“ wurde geklagt, nicht mal zu einer diskussionswürdigen eigenen Note wie der dänischen „Dogma“-Bewegung sei man in der Lage. Weil der Ton und das allumfassende Einverständnis nervte, hätte man gern widersprochen. Man kann nicht, auch mit Zübert nicht, und auch nicht mit der einstigen deutscher Regiehoffnung Sönke Wortmann als Produzent. 


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen