© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001

 
CD: Pop
Nach der Eiszeit
Holger Stürenburg

Uber 15 Jahre lang hatten Gerüchte die Musikwelt durchzogen, wünschten sich die Fans von Roxy Music in aller Welt nur das eine: die Wiedervereinigung der Band. Ende letzten Jahres traten Bryan Ferry (voc), Phil Manzanera (git) und Andy Mackay (sax) sichtlich abgeklärt vor die Presse und gaben bekannt: Wir machen es! So begaben sich die drei Exzentriker - leider ohne Gründungsmitglied Brian Eno, aber man kann ja nicht alles haben - im Frühjahr 2001 auf große Welttournee, im Zuge derer sie bereits im Juni in München gastierten und im September nochmals für Konzerte in Berlin (16.09.), Hamburg (19.09.) und Dortmund (21.09.) nach Deutschland zurückkehren.

Zur Unterstützung der langersehnten Rückkehr von Roxy Music hat ihre Plattenfirma Virgin unter dem Titel „The Best of Roxy Music“ eine aktuelle Kollektion ihrer größen Hits zusammengestellt und vor wenigen Wochen veröffentlicht. Diesmal gibt es die erfolgreichen Singles der Band (nicht die aus den vielfältigen Soloabenteuern von Frontmann Bryan Ferry) chronologisch geordnet - jedoch „verkehrt herum“. „The Best of Roxy Music“ beginnt mit ihrem letzten gemeinsamen Hit „Avalon“, dem Titelstück ihres Schwanengesangs aus dem Herbst 1982, und endet nach fast 75 Minuten Spielzeit mit ihrer allerersten Single „Re-Make/Re-Model“ aus dem Frühjahr 1972.

18 Songs gibt es auf „The Best of Roxy Music“ zu hören. „More than this“ leitet uns, beginnend mit einem warmen Gitarrenakkord, direkt in die spätsommerliche Landhausidylle des britischen Hochadels; bei „Dance away“ sehen wir uns plötzlich 1979 in einer unpersönlichen Großraumdisco stehen, um uns herum lauter schnieke Menschen, die alle aussehen wie zu Zeiten zwischen Traube-Abhöraffäre und Nato-Doppelbeschluß, mit bunten Spät-Siebziger-Jahre-Sakkos bekleidet, in sich versunken tanzend, nicht bemerkend, was um sie herum geschieht - „Dance away the Heartache, Dance away the Pain“. Bevor Roxy Music mit derartigen kühl-dekadenten Epen die neue Romantik ausriefen, präsentierten sie zwischen 1972 und 1975 weniger gediegene Klänge, als sie mit nervösen Discorockern wie „Love is the Drug“ und wüsten, lauten Synthiorgien wie „Virginia Plain“ als einzige Stilvertreter neben David Bowie der Glamrockära Niveau und Eleganz verliehen. Zu Beginn ihrer Karriere waren Roxy Music zornige junge Männer in schrillen Fummeln mit krachenden Rock’n’Roll-Hymnen, aus denen vielleicht sogar schon frühzeitig der Geist des Punk wehte.

Roxy Music genossen den Ruf als eine der wichtigsten Bands der siebzigerJahre und interessantesten Inspirationsquellen für eine große Anzahl anderer Künstler. Die erst schrill-bunt und später gediegen-elegant auftretende Band war vor allem deshalb so außergewöhnlich, weil es ihr gelang, in jedem ihrer Songs eine unverwechselbare Stimmung auszudrücken, die beim Hörer im Kopf sofort einen subjektiven Film zu erzeugen schien. Zudem repräsentierten Roxy Music wie kaum eine andere Band jener Tage den jeweils angesagten Zeitgeist in Mode und Auftreten zwischen dem Glamour der frühen siebziger Jahre und typisch britischer Yuppie-Eleganz der beginnenden Achtziger. Somit galten sie nicht nur als intelligente Protagonisten des Glamrock, sondern auch als eigentliche Begründer der New Romantic-Welle. Ohne sie wären Wavebands wie Duran Duran oder Spandau Ballet bzw. Brit-Pop-Helden à la Pulp, Radiohead oder Suede kaum möglich gewesen.

Inwieweit Roxy Music, die immer wieder betonen, vorerst kein Album mit neuen Songs aufnehmen zu wollen (höchstens das „obligatorische Livealbum“ soll nach der Tour erscheinen), in die heutige Musikszene Eingang finden, bleibt freilich abzuwarten.


 
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