© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001

 
WIRTSCHAFT
Sozialhilfe - auf Gegenseitigkeit
Bernd-Thomas Ramb

Der Vorschlag von Roland Koch, die deutsche Sozialhilfe nach US-Muster zu reformieren, ist mehr als bloßes Sommertheater. Die geforderte Anlehnung der Sozialhilfeverordnung an Regelungen, wie sie im US-Bundesstaat Wisconsin praktiziert werden, besitzt zudem den Charme der Leitkulturnähe. Dieser mit Hessen partnerschaftlich verbundene Bundesstaat wurde überwiegend von deutschstämmigen Einwanderern besiedelt, und heute noch wird dort die deutsche Sprache und Kultur intensiv gepflegt. In der Sache läßt sich der Reformvorschlag kurz zusammenfassen: Die Sozialhilfebedürftigkeit soll schärfer kontrolliert und die individuelle Betreuung verstärkt werden. Daß dies, wie Kochs Gegner behaupten, schon alles in der bestehenden Sozialhilfeverordnung verankert sei, kann so nicht zutreffen. Dann wären in Deutschland ähnlich niedrige Quoten zu verzeichnen wie in Wisconsin.

Entscheidende Veränderungen der Sozialhilfezahlen lassen sich aber nicht mit marginalen Drehungen an den Stellschräubchen erzielen. Strukturelle Reformen sind notwendig. Wieso etwa bestehen weiterhin so scharfe Übergänge bei der Arbeitsaufnahme von ehemaligen Sozialhilfeempfängern? Arbeiten lohnt nicht, wenn der überwiegende Teil des Lohns mit der Sozialhilfe verrechnet wird. Umgekehrt ist die Frage zu beantworten, warum Sozialhilfe ohne Arbeitsleistung gewährt wird. Besteht Arbeitsfähigkeit, kann und muß der Hilfeempfänger generell zu einer Beschäftigung im öffentlichen Bereich verpflichtet werden. Parkanlagen vom Müll befreien, verschmierte Fassaden reinigen oder Aktenarchive umlagern ist auch eine Form der Sozialhilfe, die der Sozialgeldempfänger der Gemeinschaft vergelten kann. Dann klappt auch der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben besser.


 
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