© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001

 
Eine Wahl als Spaltpilz
Großbritannien: Der europhile Ken Clarke und der europhobe Iain Duncan Smith kõmpfen um den Parteivorsitz der Tories
Michael Walker

Und der Sieger ist … die Labour-Partei!“ So sieht ein Karikaturist den Ausgang der Wahlen um den Parteivorsitz bei den britischen Tories voraus. Ironischerweise hat das neue Wahlverfahren, die der zurückgetretene Vorsitzende William Hague eingeführt hatte, um den Prozeß „transparenter“ zu machen, bislang nur dafür gesorgt, Spaltungen innerhalb der Partei zu vertiefen.

Nach dem alten System wählten die Parlamentsabgeordneten der Tories in mehreren Wahlgängen ihren Parteichef. Diesmal sollen die Parteimitglieder in einer Urabstimmung am 11. September zwischen zwei Kandidaten entscheiden dürfen, die zuvor aus Stichwahlen siegreich hervorgingen: Kenneth Clarke und Iain Duncan Smith, die jeweils einen Flügel ihrer zerstrittenen Partei vertreten werden. Duncan Smith war einst für die Kampagne gegen John Major verantwortlich, nachdem der damalige Premier den Maastricht-Vertrag unterzeichnet hatte. Clarke dagegen ist EU-Befürworter. Jeder der drei weiteren Kandidaten, die ursprünglich zur Wahl standen, wäre in der Europa-Frage, die die Partei derzeit in zwei Hälften zu spalten droht, kompromißbereiter gewesen. Sogar in ihrem Äußeren betonen Duncan Smith und Clarke zwei unterschiedliche Weltanschauungen: Der 61jährige übergewichtige Clarke gibt sich weltoffen, umgänglich und lebenslustig; der 47jährige Duncan Smith ist ein echter Brite, hager, puritanisch und ernst. Der nach Hagues Rücktritt zunächst als Favorit gehandelte Michael Portillo scheiterte schon in der Vorausscheidung.

Sollte Clarke zum Parteichef gewählt werden, so wäre es nicht überraschend, wenn viele Konservative, darunter auch Parlamentarier, der Partei den Rücken kehren würden. Die „europhobe“ UK Independence Party würde sie mit offenen Armen empfangen. Sollte jedoch Smith siegreich aus der Urabstimmung hervorgehen, so dürfte es der Partei schwerfallen, die sechs Millionen Wähler zurückzugewinnen, die sie seit Margaret Thatchers Zeiten verloren hat.

Der Ex-Gesundheits, Innen- und Finanzminister Clarke sieht die Zukunft seines Landes in der EU. Der Daily Mail sagte er: „Großbritannien muß den Vertrag von Nizza unterschreiben und der gemeinsamen Währung beitreten!“ Das Wörtchen „muß“ haben die Briten noch nie gerne gehört. Der einzige Olivenzweig, den Clarke den Euro-Skeptikern zu reichen bereit ist, besteht in seiner Beteuerung, Europa sei ein weniger wichtiges Thema als der Sieg über Labour bei den nächsten Wahlen.

Duncan Smith sagt das genaue Gegenteil: Für ihn liegt die Zukunft Großbritanniens außerhalb der EU. Alles deutet darauf hin, daß dieser bislang eher unbekannte Mann in der EU-Frage keinerlei Kompromisse eingehen würde, um die Einheit der Partei wiederherzustellen. Nicht umsonst zählt er zu denen, die Major einst wegen ihrer Anti-Maastricht-Kampagne als „Bastarde“ beschimpfte. Der frühere Soldat und praktizierende Christ sagt Ja zur Todesstrafe und Nein zu Homosexuellen beim Militär. Den Euro lehnt er „selbstverständlich“ ab.


 
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