© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001


Wahlkampf auf lutherisch
von Steffen Königer

Es ist so eine Sache mit den Wahlkämpfen und ihren Losungen. Zahlreiche plakative Sprüche werden von teuren Werbefachberatern ersonnen. Und so richtig Neues schien es nicht mehr zu geben. Bis dann letzte Woche die FDP in Berlin Luther aus der Schublade zog. Leider bloß nicht den, der dem Volk auf’s Maul geschaut hat und damit seiner Bibelübersetzung mehr Erfolg bescherte, als den Oberen damals lieb gewesen ist. Nein, es darf Martin Luther King zitiert werden. Stolz präsentierte FDP-Landeschef und Ex-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt den Hauptstädtern sein Wahlplakat: „I have a team“: das „Team 18“, und nun sind alle Liberalen „proud to be Berliners“. Wenn es ihnen denn Spaß macht und sie denken, daß diese Zeilen noch von den Urberlinern verstanden werden. Wahrscheinlicher scheint ein trockenes „Wat’n ditte?“ zu sein.

Da kommen selbst die anderen Berliner Parteien nicht mehr mit. Während die PDS alle Wähler in bestem Neudeutsch auffordert: „Take it Gysi!“, verschickt die CDU ihre Mitteilungen aus dem „Powerpoint“ Steffel.

Dabei haben wir genügend Zitate deutscher Landsleute, die etwas verschlimmbessert ebenso wirken würden: „Die PDS in ihrem Lauf halten weder Klaus noch Steffel auf“ wär doch was. „Niemand hat die Absicht, mit Gysi zu koalieren“ - für die SPD nachgerade geschaffen. Nein wirklich, den Parteien in der Hauptstadt stünde ein klein wenig Deutschunterricht gut zu Gesicht. Denn merke: „Wer zu spät kommt, den bestraft der Lehrer“.


 
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