© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001


Martin Walser und die Medien
Eine Ohrfeige für Journalisten
Dieter Stein

Ich kann Martin Walser gut verstehen. Der 74jährige Schriftsteller („Ein fliehendes Pferd“) hat beim Umgang mit den Medien einen verblüffenden Weg beschritten: Nachdem zum wiederholten Male ein Journalist ihn mit Stereotypen gequält hatte, verweigerte er die Abdruckgenehmigung des seines Erachtens mangelhaften Textes und führte kurzerhand das Gespräch mit sich selbst, das jetzt der Spiegel druckte.

Zunächst hatte Walser enorme Leidensfähigkeit und guten Willen demonstriert: Der stern-Reporter Arno Luik soll Walser neun Stunden in die Mangel genommen haben, so heißt es, erst anschließend platzte dem Schriftsteller der Kragen.

Nach seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Herbst 1998 war Martin Walser mit einer derartigen Wucht von einer überheblichen Presse angegriffen worden - nachdem Ignatz Bubis die Rede kritisiert hatte -, die gewisse Vorbehalte gegen Journalisten und deren Arbeitsweise erklärt.

Walser hatte damals die Erinnerungskultur in Deutschland in einer feinsinnigen Rede kritisiert. In der anschließend von Medien lüstern angeheizten „Walser-Bubis-Debatte“ sollte der Autor öffentlich zur Unperson gestempelt werden. In immergleichen Phrasen machte man aus einem nachdenklichen Schriftsteller einen „Brandstifter“, „Stichwortgeber“ von Gewalttätern und „Relativierer“ des Holocaust.

Es ist erstaunlich, mit welchem Humor Walser seinen Verdruß über Fragen wie „Sie haben sich ja immer wieder stammtischartig in die Politik eingemischt“, „Sie stehen in der rechten Ecke“, „Es ärgert Sie, daß Sie in der rechten Ecke stehen“ etc. bewältigt.

Der Journalist darf sich stets in der Rolle des Aufklärers, des „Entlarvers“ auf der sicheren Seite fühlen. Er stellt die Fragen, der andere hat zu antworten. Der Journalist handelt und wäscht sich gleichzeitig die Hände in Unschuld. „Ich habe ja nur gefragt!“ lautet die verharmlosende Formel.

Die hinter dem Journalisten handelnden Meinungsmacher hieven das „Gespräch“ in den entsprechenden Kontext und „verbraten“ es. Ist man dem Objekt wohlgesonnen, wird es „abgefeiert“, schlägt man es zum feindlichen Lager, wird es „ausgeschlachtet“.

Jeder ist selbst schuld, wenn er sich als politisch oder kulturell produktiver oder handelnder Mensch in die Zone des Öffentlichen wagt. Die Spielregeln sind bekannt. Es ist aber gut, daß die Kläger-Angeklagten-Rolle zwischen Journalist und „Beobachtungsobjekt“ durch Walser genial durchbrochen wurde.

Walser hat erkannt: „Das ist das schlechthin Furchtbare, daß man auch auf etwas reagiert, das keine Reaktion wert ist. Das ist das Lebensgesetz der Öffentlichen Meinung: Andauernd wird da Unsinn produziert, der dann von denen, die damit getroffen werden sollen, durch Widerspruch in Sinn verwandelt wird.“

Ernst Jünger sagte einst: Der erste Schritt zur Kapitulation ist die Übernahme der Fragestellung des Gegners ...


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