© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Der letzte große Aufstand
Kino: "Jurassic Park III" von Joe Johnston
Werner Olles

Viele Motive des Horrorfilms ge hen auf das Eingreifen der Wis senschaft in die Reproduktion der Natur zurück: Die Menschen schaffen sich ihre Monster selbst und werden sie, wie weiland Goethes Zauberlehrling, nicht mehr los. Immer erinnert uns der klassische Horrorfilm daran, daß er eigentlich ein sehr christliches Genre ist, das stets von Eingriffen in die göttliche Schöpfung erzählt und von Kreaturen, die das Resultat menschlichen Frevels sind. Im atavistischen Spiel werden Technik und Wissenschaft zum exorzistischen Ritual, mit dem die organischen Wucherungen der außer Kontrolle geratenen Natur auf ihr beherrschbares Maß zurückgedrängt werden. Die perfekte Naturbeherrschung entbindet den Schrecken vor der Natur, die als das schlechthin böse Prinzip erscheint.

Acht Jahre ist es inzwischen her, daß der exzentrische Millionär John Hammond seinen Traum von einem Vergnügungspark mit echten Dinosauriern auf einer kleinen Insel vor Costa Rica zu verwirklichen suchte. Und acht Jahre ist es auch her, daß der Regisseur Steven Spielberg mit seiner wundersamen Dino-Show "Jurassic Park" einem der grandiosesten Siege der Filmtechnik im Kino Ausdruck verlieh. Weltweit spielte der erste Teil über 900 Millionen Dollar ein. Nachdem auch der zweite Teil von Spielbergs Dino-Saga "Vergessene Welt" 1997 zum Kassenschlager wurde, war die Möglichkeit einer weiteren Fortsetzung fast schon zur Gewißheit geworden. Allerdings fungierte Spielberg diesmal nur als Produzent und überließ die Inszenierung Joe Johnston ("Jumanji"), der dem prähistorischen Plot zugunsten computeranimierter Spezialeffekte auch noch die letzten Subtilitäten des Genres nahm. Und daß, obwohl mit dem anerkannten Paläontologen Jack Horner, der schon beim ersten Jurassic Park dabei war, eine der größten Kapazitäten auf dem Gebiet der Dinosauier und des prähistoroischen Lebens ein Auge auf die Darstellung der Riesenechsen hatte.

Die magere Handlung ist schnell erzählt. Vier Jahre nach der Katastrophe auf der vor der Küste Costa Ricas gelegenen Isla Sorna lehrt der Paläontologe Dr. Alan Grant (Sam Neill) an der Universität und geht seinen Ausgrabungsarbeiten nach. Wie das bei nimmermüden Forschern so ist, werden jedoch die Mittel dafür bald knapp. Als das reiche Ehepaar Amanda und Eric Kirby (Tea Leoni, William H. Macy) ihn für einen Flug über Isla Sorna anheuern will, zögert er zwar zunächst, sagt aber dann eingedenk des kargen Etats seines Fachbereichs doch noch zu.Was er nicht weiß, ist, daß die beiden auf der Dino-Insel ihren verschollenen Sohn suchen wollen. Und so kommt es, wie es kommen muß. Nach einer kleinen Luftmeuterei findet sich Grant genau dort wieder, wo er eigentlich nie wieder hin wollte: mitten unter den größten und gefährlichsten Lebewesen, die jemals die Erde bewohnten. Im perfekt abgeschlossenen Ökosystem von Isla Sorna haben sich die Dinos ideal weiterentwickeln können, und Grant und die anderen Gestrandeten müssen schon bald feststellen, daß nicht nur der T-Rex ziemlich bösartig sein kann…

Natürlich ist die ganze Rasselbande der Dino-Spezies wieder vertreten. Von den vegetarischen Stegosauriern, den giraffenhälsigen Brachiosauriern und Gallimimus-Sauriern über den bereits erwähnten Tyrannosaurus Rex und die kleinen fleischfressenden Compsognathier bis zu den schnellen Velociraptoren und dem wendigen, nashörnigen Triceratop versammeln sich in den Savannen und Dschungeln der Insel so ziemlich sämtliche ruppigen Bösewichter, die vor mehr als 65 Millionen Jahren mit lautem Getöse ihren Lebensraum gegen unliebsame Konkurrenten verteidigten. Und diesmal kommen sogar noch ein paar äußerst ungehaltene Flugsaurier dazu, die Grants Assistenten schwer zusetzen.

Zum Leben erweckt wurden die Filmsaurier von Oscar-Gewinner Stan Winston ("Terminator 2") in Zusammenarbeit mit der Effekteschmiede Industrial Light & Magic ("Stars Wars"). Die flache Geschichte von "Jurassic Park III", der man vom ersten bis zum letzten Filmmeter anmerkt, daß Michel Crichton, der Autor der Romanvorlagen und Drehbücher der ersten beiden Teile, nichts mit dem Script des dritten Teils zu tun hatte, läßt niemals auch nur einen Zweifel aufkommen, daß es ihm ganz allein auf die brillanten und ausgefeilten Visual- und Special Effects ankommt. Und so sind die phänomenalen Urviecher dann auch die wahren Stars und Hauptdarsteller dieses von allen Zwängen einer naturgemäß begrenzten Kameraarbeit befreiten Films. Joe Johnston – der tief in Spielbergs Fußspuren versinkt – zielt damit auf jene Schichten des Unterbewußtseins, deren bildhafte Beschwörungen aus einer prähistorischen Zeit auch heute noch Ängste hervorzurufen vermögen. Aber bei allem Respekt vor dem technologischen Genius ist unübersehbar, daß man sich recht schnell an die Gigantenbilder gewöhnt. Als Allegorie der Hoffnung, daß die animalische Schöpfung das Unrecht überlebt, das ihr von Menschen angetan wurde, taugen heute möglichwerweise gerade noch unsere Zoologischen Gärten. Die mittels Molekularbiologie und Gentechnik aus dem berühmten Bernsteintropfen entstandene dinosaurische Bedrohung auf den idyllischen Ei-Ländern läßt diese Hoffnung jedoch sofort fahren zugunsten einer vermeintlich wissenschaftskritischen Einstellung, die sich dann aber schnell als blanke Rationalisierung der Natur entpuppt.

"Jurassic Park III" ist genau wie seine beiden Vorgänger action pur, das alledings ohne auch nur den Anflug eines Funkens Selbstironie. Denkt man an "Godzilla", "Gorgo" oder "King Kong", an all die tragisch verliebten Monster, wiedererwachten Toten und blutrünstigen Ghoule der fünfziger und sechziger Jahre, die urplötzlich aus unergründlichen Erdenwinkeln hervorbrachen oder aus den Tiefen des Alls auf uns herabstießen, wird einem gar ein wenig wehmütig ums Herz.

Der Horrorfilm des neuen Jahrtausends lebt von der Abstraktion des Schreckens, keine Fortschrittsgläubigkeit mehr, keine Psychologismen, keine Braut für Dr. Frankensteins Monster, kein weinender King-Kong, keine schwarzen Panther in unserer Brust. Wo einst unbekümmert Phobien und Wahnvorstellungen als Panorama subjektiver Wahrheiten inszeniert wurden, öffnet Spielbergs Wiedergänger Johnston wieder die Schleusen mit dem hilflosen Versuch, die Natur einen letzten großen Aufstand unternehmen zu lassen, bevor sie endgültig durch die Menschen zerstört wird.

Der Film startet bundesweit am 2. August


 
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