© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Schwächelnde Libido
Kino: "Männerzirkus" von Tony Goldwyn
Werner Norden

Männer sind Schweine, Frauen sind Opfer und die Liebe ist, wie wohl fast jeder weiß, ein seltsames Spiel. Weil aber der melodramatische Liebesfilm grundsätzlich auf der Seite der Frauen, der Unschuld, der Leidenden und Wünschenden steht, gehört zur Metaphysik dieses Genres neben der Bedingunglosigkeit und Maßlosigkeit von Gefühlen stets auch eine Pornographie des Herzens. Das endlich wiederzuentdecken bereitet nicht nur ein cineastisches sondern auch ein emotionales Vergnügen.

In Tony Goldwyns melodramatischer Liebeskomödie "Männerzirkus" hat Jane Goodale (Ashley Judd), Castling-Agentin einer New Yorker Talkshow, zunächst von eben diesem die Nase gestrichen voll. Das ändert sich jedoch sehr schnell, als sie Ray Brown (Gregg Kinnear), den neuen Produzenten der Show, kennenlernt und sich Hals über Kopf in den smarten Typ verliebt. Und tatsächlich flüstert Ray ihr schon bald jene drei magischen Worte ins Ohr, die Frauen wie Jane schon immer auf Wolke sieben schweben ließen. Aber während sich die glückselige Jane noch der Hoffnung hingibt, endlich den Mann ihres Lebens gefunden zu haben, setzt Ray ohne irgendwelche Angaben von Gründen einen Schlußstrich unter ihre Beziehung.

Das ist zugegeben bitter, aber – wie Jane bald feststellt – aus der Sicht der Evolutionsbiologie keineswegs besonders erstaunlich. Am Beispiel des Stiers, der einer Kuh auch nur jeweils einmal die Ehre gibt und dann partout eine neue will, erkennt die schwer gefrustete Jane endlich die ganze schreckliche Wahrheit: Weil Männchen ihren Fortpflanzungserfolg durch wiederholte Paarungen mit dem gleichen Weibchen nicht mehren können, existiert in ihrem Gehirn ein Mechanismus, der ihre Libido nach einer Weile abschwächt und auf andere Weibchen lenkt. Und weil, was wissenschaftlich erforscht und bewiesen ist, natürlich auch einen Namen haben muß, nennt sich dieser unwiderlegbare Komplex: "Strategie zur Steigerung der genetischen Fitneß".

Nachdem die arme Jane der Sache also auf den Grund gegangen ist und sich inzwischen selbst wie besagte alte Kuh vorkommt, teilt sie ihre schlimmen Erkenntnisse prompt ihrer Freundin Liz (Marisa Tomei), der Chefredakteurin eines Männermagazins, mit. Liz animiert Jane ihre Entdeckungen unter dem Pseudonym "Dr. Marie Charles" in einer Kolumne zu veröffentlichen. Es kommt, was kommen muß: Jane wird als Dr. Charles in ihre eigene Talkshow eingeladen. Aber was noch viel schlimmer ist, ihr neuer Zimmervermieter Eddie (Hugh Jackman), ein echter Hallodri, der nichts anbrennen läßt, weckt romantische Gefühle in der von den beziehungsunfähigen Männern so schwer enttäuschten Jane …

"Männerzirkus" ist eine postkartenbunte Romanze über Männer, die keine Lust mehr haben, noch einmal in ihrem Leben in irgendetwas persönliche Gefühle zu investieren. Zugleich ist er aber auch ein sinnliches Melodram über Frauen, die eben diese Männer zwingen wollen, sich erneut auf einen emotionalen Clinch mit dem anderen Geschlecht einzulassen. Daß das nur schiefgehen kann ist klar, denn jede Reise geht ja nun einmal zu Ende, auch die Reise in die Liebe. So jedenfalls will es die populäre Mythologie, die uns erklärt, warum die Frauen ihr Leben lang um ihr Recht auf erotische Entfaltung kämpfen müssen, bevor sie ihre Sexualität endlich entdramatisieren und freiwillig zu Müttern werden.

"Der beste Freund eines Mannes ist seine Mutter", pflegte der bitterböse Psychopath Norman Bates zu sagen, bevor er das besonders lange und scharfe Messer hervorholte und sich über eine ahnungslose Blondine hermachte. Daß das lustvolle Leben in den matriarchalischen Inseln des Patriarchats so lustig meistens nicht ist, mag in diesem Film mit seinen melodramatischen twists nicht unbedingt intendiert gewesen sein. Aber wenn am Ende Janes Beharrlichkeit und ihr Glaube an die Liebe alle Entmystifikationen besiegt, gönnen wir ihr das von Herzen.


 
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