© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Kolumne
Entwurzelt
Klaus Hornung

Die schwächer werdende Erinnerung an den 20. Juli 1944 und den deutschen Widerstand gegen Hitler als eines der Zeichen der geistig-kulturellen Wurzellosigkeit der Deutschen muß alarmieren.

Ein tief sitzender nationaler Selbsthaß beraubt uns Stück für Stück unserer geschichtlichen Wurzeln. Übrig bleibt eine vielfach urteilslose Anpassung an die jeweiligen, über den Globus fegenden Winde: gestern die Utopien der "Emanzipazion" und individuellen "Selbstverwirklichung", heute der Sturm der neoliberalen Globalisierung und ihres "Turbokapitalismus", der aus jeder Weltgegend am liebsten einen Vorort von Washington oder Pittsburgh machen würde.

Vor zwanzig Jahren wurde das wenigstens noch als Mangel und Krankheit empfunden. So konnte Hans-Joachim Venn (Konrad-Adenauer-Stiftung) noch 1981 fragen: "Was leistet diese Republik über die Produktion von Massenkomfort hinaus? Die Bundesrepublik hat anscheinend kein Ethos jenseits der Ökonomie und will es auch gar nicht. Dieser Staat ist bei allem Reichtum am Ende armselig geblieben. Er hat kein Gemeinschaftsbewußtsein gestiftet." Es war die Zeit der Hoffnungen auf eine geistig-sittliche Erneuerung, die dann so erbärmlich enttäuscht wurden.

Heute hat sich dieses Land im Zeichen von Rotgrün vollends aufgelöst in die Gedankenlosigkeit einer totalen Spaß- Freizeit- und Sportgesellschaft, der Verblödung der Massen über Dutzende von TV-Kanälen, der Auftritte der Zampanos mit ihren leeren Sprüchen in Talkshows, Parlamenten und Pressekonferenzen. Zugleich hat das wechselseitige Mißtrauen zwischen politischer Klasse und Bevölkerung immer mehr zugenommen, das sich ausdrückt in wachsender Wahlenthaltung einerseits und Beäugung des Volkes auf seine Verfassungstreue andererseits, wo immer selbständige und kritische Gedanken außerhalb der Klischees der veröffentlichten Meinung auftauchen. Wir sind inszwischen bei der DDR von 1953 gelandet (getreu nach Bert Brecht); man möchte das Volk am liebsten auflösen und es durch ein anderes, "multikulturelles" ersetzen: Unsere Einwanderungspolitik ist Zeuge!

Dabei wäre nichts wichtiger, als daß wir uns des 20. Juli 1944 als eines guten Fadens vergegenwärtigen, der uns mit unseren geschichtlichen Wurzeln verbindet. Hans Bothfels hat ihn zu Recht eine religiöse, kulturelle und politische "konservative Freiheitsbewegung" genannt, gegen die Entseelung einer säkularisierten und nihilistischen Gesellschaft.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung, ist Politikwissentschaftler und Präsident des Studienzentrums Weikersheim.


 
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