© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Die Schlammschlacht geht weiter
Eine Neuauflage der Wehrmachtsausstellung ist im Herbst in Berlin zu sehen
Alexander Barti

Durch 33 Städte wurde die Aus stellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" getragen, höchste Repräsentanten des Staates hielten die Eröffnungsreden, und nur selten zeigte sich erbitterter Widerstand gegen eine diffamierende Haß-Show, wie sie nur in Deutschland möglich ist. Deutsche Historiker gingen mehrheitlich in Deckung, wer leiseste Zweifel an den Bildern anmeldete, wurde mit der Faschismuskeule unbarmherzig zur "Vernunft" gebracht. Die Diskussion glich immer mehr einem Glaubenskrieg und hatte mit einer sachlichen Auseinandersetzung über die Vergangenheit nichts mehr zu tun.

Bezeichnend für den bundesrepublikanischen Ausnahmezustand, wie die Ausstellung letztlich zu Fall kam: ausländische Historiker, der Pole Bogdan Musial und der Ungar Krisztián Ungvári, wiesen schlampig recherchierte Fotos und andere Fälschungen nach, so daß den Ausstellern nichts anderes übrigblieb, als die Kampagne zu beenden. Freilich kündigte der Begründer und Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, eine überarbeitete Form der Anti-Wehrmacht-Propaganda an. Viele glaubten damals, die Ankündigung sei nur eine Trotzreaktion, die Ausstellung sei erledigt und werde in die Versenkung des pathologischen Selbsthasses verschwinden. Doch leider ist dem nicht so.

Unter dem Namen "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944" soll eine Neuauflage des Propaganda-Feldzuges gestartet werden. In Kooperation mit den Kunst-Werken Berlin (Auguststraße 69, 10117 Berlin) soll die Fotoschau vom 28. November bis zum 13. Januar 2002 gezeigt werden. Damit die neue Ausstellung nicht wieder ein so unrühmliches Ende nimmt, wurden die vergangenen Patzer genau analysiert.

In dem 103seitigen Bericht bemängeln die Fachleute unter anderem den "bemerkenswert unbekümmerten Gebrauch fotografischer Quellen". Die erläuternden Texte seien verkürzt eingesetzt und haben einen appellativen Charakter. "Der Eindruck fehlender Offenheit in der Argumentatiuon und im Ausstellungsduktus wird durch die Dominanz der Fotos unterstrichen". Die Präsentation bewirke zudem "eine starke Emotionalisierung des Publikums". In der Schlußfolgerung stellt die Kommission unmißverständlich fest, daß die "Ausstellung 1. sachliche Fehler, 2. Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten bei der Verwendung des Materials und 3. vor allem durch die Art der Präsentation allzu pauschale und suggestive Aussagen" enthalte. Gleichwohl seien die Fehler keine Fälschungen (!). Außerdem sei unbestreitbar, daß die Wehrmacht nicht nur verstrickt, "sondern an diesen Verbrechen teils führend, teils unterstützend beteiligt" gewesen war. Die Kommission empfiehlt, "die Ausstellung in einer gründlich überarbeiteten Form weiter zu präsentieren", gleichwohl "die Argumentation weniger durch den Gestus der Staatsanwaltschaft als durch die Theorie und Methodologie der Geisteswissenschaft geprägt sein" sollte. Letztlich lobt die Kommission die Ausstellung, denn die öffentlichen Auseinandersetzungen hätten gezeigt, daß sie "sinnvoll und nötig" war und einen "wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der historisch-politischen Kultur der BRD" geleistet habe.

Nach der Einschätzung eines der profiliertesten Kritiker der Wehrmachtsausstellung, Rüdiger Proske, ist die neue Schau so gründlich überarbeitet worden, daß man wahrscheinlich keine sachlichen Fehler mehr finden wird.

Damit dürfte klar sein, daß die Schlammschlacht um die Deformation des deutschen Geschichtsbewußtseins – wissenschaftlich tadellos abgedichtet – weitergehen wird. Denn auch der neue Titel der Ausstellung bedeutet eine pauschale Verunglimpfung der Wehrmachtsoldaten. Wie eng dabei die Wegbereiter der "neuen historisch-politischen Kultur" zuweilen kooperieren, wird man im Oktober bei der diesjährigen Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchandels sehen: Reemtsma hält – auf Wunsch des Geehrten – die Laudatio auf Jürgen Habermas.

Gerüchte, wonach die Stadt Leipzig auf den "Ruhm" der Erstaufführung aus politischen Gründen verzichtet habe, ließen sich nicht bestätigen. Auf Anfrage teilte das Institut für Sozialforschung der JUNGEN FREIHEIT mit, Leipzig habe dem Institut aus Platzgründen abgesagt.


 
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