© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Scharpings Generalstab
Bundeswehr: Mit dem Einsatzführungskommando verfügt die Truppe über eine operative Führungsebene
Matthias Bäkermann

Am 9. Juli hat die Bundeswehr eine neue Zeit eingeläutet. In den Potsdamer Henning-von-Tresckow-Kaserne wurde in Anwesenheit des Generalinspekteurs der Bundeswehr General Harald Kujat das Einsatzführungskommando (EinsFüKdo) in Dienst gestellt. Damit besitzt die Bundeswehr erstmals in ihrer 45jährigen Geschichte einen Kommandostab, der übergreifend die Teilstreitkräfte Marine, Heer und Luftwaffe vereint.

In der Vergangenheit wurde diese Funktion in den deutschen Armeen vom obersten Generalstab ausgeübt. Die Bundeswehr hatte zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation stets von dieser operativen Führungsstruktur abgesehen, einerseits um damit die Defensivstruktur einer reinen Verteidigungsarmee – in diesem Selbstverständnis stand die Bundeswehr bis in die neunziger Jahre – äußerlich zu plakatieren. Andererseits war durch die Einbindung der Bundeswehr in die Gemeinschaft der Nato-Partner, die in der Bundesrepublik stationiert waren, die Strategie der Vorneverteidigung im Rahmen der "flexible response" supranational. Dadurch war die operative Führung bei der Nato in Brüssel beim SHAPE (Supreme Headquarter of Allied Powers in Europe).

Nach der Wiedervereinigung waren die umgegliederten Einheiten der NVA anfangs aus dem Verteidigungsverband der Nato ausgegliedert, da die Einheiten der Roten Armee noch in den neuen Ländern stationiert waren und die Sowjetunion sich die Nato-Ausweitung bis zum Abzug ihrer Truppen verbat.

In den neunziger Jahren hat sich durch den Beitritt Polens und Tschechiens die Situation geändert, eine Strategie der Vorneverteidigung war nicht mehr erforderlich. Viele Alliierte reduzierten ihre Einheiten (USA und Großbritannien) oder zogen sich gänzlich aus Deutschland zurück (Kanada).

Die deutsche Führungsstruktur änderte sich darauf jedoch nicht grundsätzlich. Die vorrangige Aufgabe lag in den letzten zehn Jahren für die Bundeswehr bei ihrer eigenen Reduzierung. Von einer personellen militärischen Stärke von etwa 650.000 Soldaten am 3. Oktober 1990 (495.000 Bundeswehr und 155.000 Nationale Volksarmee) mußte die Armee auf insgesamt 270.000 Soldaten abgespeckt werden. Die vielen Probleme wie die soziale Abfederung der betroffenen Soldaten, die Einberufung der Wehrpflichtigen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Wehrgerechtigkeit, viele Standortaufgaben, aber auch verschiedenste unnötige Umstrukturierungen von Armeeteilen zu immer neuen Großeinheiten strapazierten die Bundeswehr bis ins Mark.

Diese Faktoren trugen auch zur schlechten Stimmung in der Truppe bei, besonders bei länger Verpflichteten und Berufssoldaten. Die politische Führung im Verteidigungsministerium war – besonders unter Volker Rühe – der Aufgabe nicht immer gewachsen, die starke Reduzierung mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Truppe zu verbinden. Die schlechte Ausstattung der heutigen Bundeswehr ist zum großen Teil darauf zurückzuführen. In vielen Standorten hatte sich ein Prinzip durchgesetzt, nach dem durch Vorspiegelung falscher Bereitschaftsgrade der jeweiligen Kommandeure an Personal und besonders an Material, eine drohende Schließung des Standortes abgewendet werden sollte.

Erschwert wurde die Situation dadurch, daß die Armee in ihrer bisherigen Struktur nutzlos geworden war. Das Selbstverständnis war durch die Nato-Strategie im Kalten Krieges an ein Feindbild gebunden. Diese innere Ausrichtung hat sich in den vergangenen Jahren jedoch gewandelt. Angefangen von kleineren Auslandseinsätzen im Rahmen humanitärer Operationen in Kambodscha und Somalia wurde das Aufgabenfeld bis hin zum offenen militärischen Konflikt wie in Jugoslawien ausgeweitet. Die internationale Friedenssicherung hat sich von anfangs logistischen Aufträgen der Uno zu operativen Kampfeinsätzen im Nato-Rahmen gewandelt.

Nun wurde diesem Umstand Tribut gezollt, indem im Rahmen der Erneuerung "von Grund auf" eine operative Führungsstruktur gegründet wurde, um die Effektivität der Armee zu steigern. General Kujat betonte bei der Indienststellung, daß dieses Einsatzführungskommando das künftige Profil der Bundeswehr symbolisieren soll. Die Ausbildungsarmee wandele sich zur Einsatzarmee. Damit erreiche man auch die Kompatibilität mit multinationalen Strukturen anderer militärischer Führungen.

Im Speziellen besteht die Aufgabe des Führungskommando darin, die Umsetzung politischer Absichten und militärstrategischer Vorgaben des Bundesverteidigungsministeriums zu operativen Aufträgen für die Truppe im Einsatz zu formulieren. Dafür steht dem insgesamt 600 Soldaten starken Stab ein eigenes Fernmeldebataillon zur Verfügung, das mit modernsten Kommunikationsmitteln die Verbindung zu allen Kräften im Einsatz gewährleisten kann. Kommandeur ist der 58jährige gebürtige Ostpreuße Generalleutnant Friedrich Riechmann, der aus der Fallschirmjägertruppe kommend schon Erfahrungen in Auslandseinsätzen gesammelt hat. 1996 bis 1997 war er Kommandeur des 3. deutschen IFOR/SFOR-Kontigents in Bosnien und 1999 Kommandeur des 2. deutschen Heereskontingent KFOR im Kosovo. Im nächsten Frühjahr wird er mit dem Einsatzführungskommando die Führung der deutschen Einsatzkontingente auf dem Balkan übernehmen.


 
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