© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Zum Singen in den Keller oder nach England
Burschenschaften: Bayerisches Innenministerium stellt "Lied der Deutschen" als verboten dar – und korrigiert sich
Matthias Bäkermann

Aufsehen erregte ein Artikel in der Nürnberger Zeitung am 10. Juli 2001, der über mutmaßliche rechtsextreme Vorfälle bei der Burschenschaft Frankonia zu Erlangen berichtet hat. Die Sprecherin des bayerischen Innenministeriums, Ulrike Frowein, erklärt nach Angaben der Zeitung, die Vorfälle bezögen sich auf das Absingen des "Liedes der Deutschen". Sie sei entsetzt gewesen, daß dieses Lied gesungen werde. "Die ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes sind verboten. Wer es trotzdem tut, setzt damit ein eindeutiges Zeichen, daß er sich von der Republik distanziert. Sofern man der Leute habhaft wird, werden Strafverfahren eingeleitet", wurde die anscheinend juristisch unbeleckte Ministeriumssprecherin zitiert.

Frau Frowein äußert auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, diese Studentenverbindung habe allerdings wegen verschiedener Kontakte zur NPD in den letzten Jahren auf sich aufmerksam gemacht und befinde sich in einem Vorstadium der Beobachtung durch den bayerischen Verfassungsschutz, wovon kein einziges Wort im Zeitungsartikel hindeutet. Frau Frowein weist gegenüber der JF nun darauf hin, daß der verantwortliche Redakteur der Nürnberger Zeitung, Markus Kaiser, sie falsch wiedergegeben habe. Dieses sei mittlerweile auch in einem Leserbrief der Nürnberger Zeitung korrigiert worden. Der Redakteur Kaiser wiederum entgegnete der JF, er habe die verwandten Zitate wortwörtlich übernommen. Er habe nach Veröffentlichung des Artikels erst durch eigenständige Recherche erfahren, daß die Behauptung, die ersten Strophen des Deutschlandliedes seien verboten, juristisch nicht aufrechterhalten werden könne. Bis zum Briefwechsel zwischen Bundeskanzlers Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1991, nach welchem nur noch die dritte Strophe als Nationalhymne bezeichnet wird, galt das "Lied der Deutschen" mit allen drei Strophen als offizielle Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland.

Dabei ist es nicht neu, das Absingen des Deutschlandliedes als rechtsradikale Handlung darzustellen. Bereits vor einem Jahr ist der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Günter Oettinger einer Welle der Empörung ausgesetzt gewesen, da er beim 160. Stiftungsfest seiner Studentenverbindung Landsmannschaft Ulmia zu Tübingen das "Lied der Deutschen" mitsang. Der britische Bestseller-Autor Frederick Forsyth schrieb nach öffentlichen Vorwürfen von Politikerkollegen gegen Oettinger an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel einen exklusiv in der JUNGEN FREIHEIT publizierten Offenen Brief (JF 28/00), in welchem er seine Beunruhigung darüber zum Ausdruck brachte, daß in Deutschland das Bekenntnis zum eigenen Vaterland durch das Singen des Deutschlandliedes derart verfemt sei und der Political Correctness untergeordnet werde. "Herr Ministerpräsident, bitte richten Sie doch Ihrem Parteikollegen Oettinger aus, wenn er wieder einmal den Wunsch hat, Ihre völlig akzeptable Nationalhymne in allen drei Strophen zu singen, so ist er herzlich eingeladen, es hier bei mir in England zu tun. Ich nehme ihm das nicht übel – solange ich mein ’God save the Queen‘ dabei murmeln darf", schließt Forsyth seinen Brief.

Vielleicht besitzt Mister Forsyth abermals die Güte, Herrn Beckstein und seine Ministeriumssprecherin Frowein zum Singen des "Liedes der Deutschen" (links abgedruckt) nach England einzuladen, um diese bezüglich Tradition und Liedgut aufzuklären und damit der deutschen Öffentlichkeit in Zukunft ähnliche Peinlichkeiten zu ersparen.

Hoffmann von Fallerslebens "Lied der Deutschen": In allen drei Strophen nur in der Paulskirche, in Weimar und in Bonn.


 
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