© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001


Neues Grünes Parteiprogramm
Ulrich Wickert platzte der Kragen
Dieter Stein

Plötzlich hält es Ulrich Wickert nicht mehr aus. Er schreit die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, in den Tagesthemen vom vergangenen Montag an, sie solle endlich klar sagen, was ihre Partei im Unterschied zu den anderen Parteien in ihrem neuen Grundsatzprogramm fordere. Frau Roth betet unbeirrt ihre Allgemeinplätze herunter, auf die Wickert grimmig erwidert, daß man dieses Einerlei von der PDS bis zur CSU ohne Unterschied finden könne.

Warum ist das neue Programm der Grünen ganz besonders abstoßend? Weil sie einst radikal anders waren. Jetzt findet man Sätze wie diesen: "Um neue Leitbilder zu entwerfen, entfalten wir alte Werte neu. So können wir den Horizont der Zukunft in die Politik der Gegenwart einbeziehen." Oder: "Sorglosigkeit gegenüber den Risiken neuer Entwicklungen und Lähmung aus Sorge um die Gefahren sind nur zwei Seiten einer Medaille.Die Zukunft ist nicht voraussehbar, aber wir können Trends und Tendenzen erkennen, die bereits heute eingesetzt haben und sich künftig noch verstärken werden."

Die Grünen opfern der Macht opportunistisch alles. Ihr von den einen geschätzter, von den anderen gefürchteter revolutionärer Schwung ist verpufft, sie sind nur noch Schmierstoff im Getriebe einer hedonistischen Gesellschaft geworden, die mit gutem Gewissen ungestört die Erde zugrunde richten möchte.

Die Grünen waren die erste Partei, die das gewohnte westdeutsche Parteiensystem herausforderte. An ihrer Spitze stand einst mit Herbert Gruhl im Gründungsjahr 1980 ein konservativer, christlicher Denker, der aus der CDU ausgetreten war, um der ökologischen Apokalypse entgegenzutreten.

Sein Vermächtnis wurde von den – teils über Stasi-Seilschaften mit der DDR verbandelten – K-Gruppen-Kadern verspielt, die wenig später das Kommando bei den Grünen übernahmen. Die Grünen sind heute kein Gegner, sondern Partner des globalisierenden Kapitals.

Noch dazu die Anti-"Werte" der Grünen: Die Worte "christlich", "Kirche", "Abendland", "Volk", "Nation" "Patriotismus, "Ehe" kommen im Programm überhaupt nicht vor, "Familie" nur im Zusammenhang "Familie und Beruf". Das Wort "Pflicht" wird nur in bezug auf den Staat erwähnt, "Recht" hingegen fast zwei Dutzend Mal in bezug auf den Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft.

An Servilität nicht mehr zu überbieten ist der Passus über "Einbindung, Selbstbeschränkung, multilaterale Kooperation": "Deutschlands Sicherheit und Stabilität beruhen auch wesentlich auf engen und guten Beziehungen zu den USA. Ihnen verdankt Deutschland seine Rückkehr in die Staatengemeinschaft nach Krieg und Holocaust und die Lösung der ’deutschen Frage‘ vierzig Jahre später in besonderem Maße. Ein bei allen Differenzen und Auseinandersetzungen enges und freundschaftliches Verhältnis zu Amerika und die Bereitschaft zur Pflege und Erneuerung der gemeinsamen Agenda bleiben auch im 21. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung." Man hat den Grünen erfolgreich das politische Mark aus den Knochen geblasen ...


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