© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
Bäuerliche Verweigerung
NS-Entschädigung: Die Landwirtschaftliche Rentenbank zahlte zehn Millionen Mark an die Stiftungsinitiative der Wirtschaft
Kurt Poßegger

Wie der Deutsche Bauernverband kürzlich in einer Presseverlautbarung mitteilte, hat sich auch die Landwirtschaft, vertreten durch die Landwirtschaftliche Rentenbank (LRB) und den Deutschen Bauernverband (DBV) an der Stiftungsinitiative "Erinnern, Verantwortung und Zukunft" mit insgesamt 10,15 Millionen Mark beteiligt. Am Spendenaufruf des DBV-Präsidenten Gerd Sonnleitner beteiligten sich zwar nur etwa hundert Spender von insgesamt rund 462.000 landwirtschaftlichen Betrieben mit 150.000 Mark, aber dank der großzügigen Spende der Landwirtschaftlichen Rentenbank kamen immerhin über zehn Millionen Mark zusammen. DBV-Präsident Sonnleitner dankte allen Spendern aus der Land- und Forstwirtschaft und verwies darauf, daß es sich dabei um eine freiwillige Initiative handelt, "durch die auch Solidarität mit der gemeinsamen Aktion von Staat und Wirtschaft gezeigt" werde.

Abgesehen davon, daß die LRB während der NS-Zeit keinen einzigen Zwangsarbeiter beschäftigt hatte, da sie selbst ja keinen Bauernhof besaß, mutet diese "freiwillige" Zahlung doch etwas seltsam an. Erstens stellt sich die Frage, ob die Rentenbank als federführendes Bankunternehmen für den Großteil aller von Landwirten getätigten Investitionen in moralischer Hinsicht überhaupt berechtigt ist, für die Bauern pauschal "Wiedergutmachung" zu leisten mit Geld, das letztendlich doch wieder von den Kreditnehmern, den Bauern, berappt werden muß. Oder wie werden diese zehn Millionen Mark Spende sonst umgelegt? Wenn die Bauern selbst keinen Anlaß sehen, sich an dieser Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschft zu beteiligen, wo doch ein großer Teil der Zwangsarbeiter von 1940 bis 1945 in der Landwirtschaft gearbeitet hat, woher nimmt dann die Rentenbank diese moralische Berechtigung?

In letzter Zeit habe ich von mehreren inzwischen schon 75jährigen und noch älteren Bauern erfahren, daß die Bauern, die in der Kriegszeit Ostarbeiter hatten, diesen neben der freien Station (Unterkunft und Verpflegung) auch Lohn zahlten. Es waren keine Spitzenlöhne, aber es gab immerhin neben der freien Unterkunft auch Bargeld auf die Hand. Wie verträgt sich diese nachprüfbare Tatsache mit den heute üblichen Argumenten, die Zwangsarbeiter hätten damals keinen Lohn bekommen?

Schon vor 20 Jahren habe ich in Warschau selbst mehrere ehemalige Ostarbeiter kennengelernt, die während der Kriegszeit als Landarbeiter in Deutschland und Österreich auf Bauernhöfen gearbeitet hatten. Ihr Auslandsaufenthalt war nicht freiwillig, aber alle (es handelte sich um insgesamt acht Personen) erinnerten sich, daß sie von den Bauern gut behandelt wurden und in den meisten Fällen mit den übrigen Familienangehörigen am gleichen Tisch die Mahlzeiten einnahmen. Diese Zwangsarbeiter berichteten mir außerdem, daß sie es nach dem Krieg in ihrer Heimat wirtschaftlich viel schlechter hatten als während des Krieges in Deutschland und Österreich. Woher nimmt die Rentenbank bei solchem Sachverhalt die moralische Berechtigung, im nicht erteilten Auftrag der deutschen Bauern pauschal zehn Millionen Mark "Wiedergutmachung" zu zahlen?

Außerdem stellt sich noch die Frage, warum sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes mit seiner Rentenbank erst nach 50 Jahren zu "freiwilligen" Wiedergutmachungszahlung an die ehemaligen Zwangsarbeiter/Ostarbeiter verpflichtet fühlt. Hätte nicht sein christdemokratischer Vorgänger Konstantin Freiherr von Heereman oder noch besser sein Vor-Vorgänger Edmund Rehwinkel eine solche "freiwillige" Versöhnungs- oder Wiedergutmachungsgeste in die Wege leiten müssen? Heute, wo der Großteil dieser Leute schon verstorben ist, und nachdem der Zehn-Milliarden-Coup erst von einigen geschäftstüchtigen Rechtsanwälten von der amerikanischen Ostküste in die Wege geleitet wurde, wirken solche Spenden wirklich nicht mehr vom Herzen kommend. Übrigens würden es die heimatvertriebenen Bauern aus den deutschen Ostgebieten bzw. deren Nachfahren dem Präsidenten des DBV sicher hoch anrechnen, wenn dieser sich auch um die Rückgabe des ihnen geraubten Eigentums (Haus und Hof) zumindest verbal kümmern würde. Jetzt, wo der Beitritt dieser Länder (Polen, Tschechei, Ungarn, Slowenien usw.) zur EU unmittelbar bevorsteht, wäre der Zeitpunkt für diese Rückgabeforderung günstig. Ein Veto Deutschlands könnte diesen Beitritt verhindern oder zumindest um Jahre verzögern. Ein deutliches Wort auf dem kürzlich in Münster abgehaltenen "Deutschen Bauerntag" hätte nicht nur den heimatvertriebenen Bäuerinnen und Bauern gut getan, sondern auch den Ruf des DBV als ehrliche und aufrechte bäuerliche Interessenvertretung gestärkt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen