© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
"Das hatten wir ja noch nie ..."
Republikaner: Ein Sturm von Streitigkeiten legt Landesparteitag politisch lahm / Käs wiedergewählt / Desinteresse bei der Antifa
Moritz Schwarz

In der durchgrünten Wohlstandskommune Leinfelden-Echterdingen, gelegen im Speckgürtel der Landeshauptstadt Stuttgart, hielten die Republikaner Baden-Württemberg am vergangenen Samstag ihren mit Spannung erwarteten ersten Landesparteitag nach der katastrophalen Wahlniederlage bei den Landtagswahlen im vergangenen März ab.

"Kein einziger Störer?" erkundigte sich Christian Käs, Landesvorsitzender der Südwest-Partei, bei der gelangweilt herumstehenden Bereitschaftspolizei. Entspanntes Kopfschütteln. "Das hatten wir ja noch nie ...", wunderte sich Käs. Der Kreisvorsitzende des gastgebenden Landkreises Esslingen, Ulrich Deuschle, dagegen fragte sich ahnend: "Ein Zeichen für unsere geringe Bedeutung?"

Nicht nur die zu erwartende Diskussion und eventuelle Neuformierung der Partei nach dem Wahldebakel, sondern auch die bis drei Tage vor der Wahl in Zweifel stehende erneute Kandidatur des bisherigen Landeschefs und Schlierer-Feindes Christian Käs und der am Donnerstag zuvor aufgekommene Verdacht der Veruntreuung von Parteigeldern durch ihn, versprachen eine "explosive" Veranstaltung. Zumal nicht auszuschließen war, daß der schwelende persönliche Konflikt zwischen dem Südwest- und dem Bundeschef im Zuge der Verwirrung nach der Wahlniederlage offen ausbrechen würde.

Doch nichts davon – Schlierer ("Das ist nicht mehr hinzunehmen") nur, wenn es ihm zu bunt wurde, und Käs ("Sonst verlasse ich den Saal"), wenn er ab und zu Lust dazu verspürte, beließen es bei wenigen empörten Ausfällen gegen die jeweils andere Seite. Ansonsten schauten sie desinteressiert aneinander vorbei. Doch nachdem die beiden Vorsitzenden ihre Reden ohne Spitzen beendet hatten, brach unter einer kleinen Gruppe immer wieder ans Mikrofon tretender Funktionäre ein regelrechter Sturm von Streitigkeiten los, der erst am Abend in Erschöpfung verebbte. Kein Wahlgang, der nicht zu hemmungslosen Angriffen gegen "Parteifreunde" mißbraucht wurde. Natürlich stritten sich da die beiden Lager Schlierer und Käs, doch offensichtlich ohne Plan und Steuerung und wohl auch ohne Relevanz für die persönlich so erbitterten Streithähne. Bewundernswert, mit welcher Geduld die Delegierten auch noch dem kleinsten Privatscharmützel stumm und geduldig Raum zur Dikussion gaben, auffällig, wie die Parteiführung den züngelnden Debatten meist teilnahmslos freien Lauf ließen, statt zu politischer Arbeit anzuhalten. Und die fand demzufolge, ebenso wie eine echte Analyse und Diskussion des Wahldesasters, praktisch nicht statt.

Die Wahl des neuen Landesvorsitzenden ging schließlich recht unspektakulär über die Bühne. Keiner glaubte ernsthaft an einen Sieg des Herausforderers, des Bundeswehroffiziers Herbert Bastl – wohl auch die eigenen Anhänger nicht. Mit 93 zu 51 Stimmen wählten die anwesenden 147 Delegierten den hemdsärmeligen Rechtsanwalt Christian Käs erneut zum Landesvorsitzenden. Der Jubel war kurz und verhalten, und prompt wählten dieselben Delegierten drei Schlierer-Leute, Sabine Johnsen, Ulrich Deuschle und Herbert Bastl, und nur einen Käs-Freund, Karl-August Schaal, ins Präsidium und Käs an die Seite. Bezeichnend übrigens das Wahlversprechen eines Bewerbers um eines der zahlreichen an diesem Tag vergebenen Parteiämter: "Ich werde mein Amt nicht dazu nutzen, Fax-Aktionen gegen andere zu machen."

Für Diskussion hatte zuvor die anonyme Anzeige gegen Christian Käs bei der Staatsanwaltschaft Tübingen gesorgt, die ihn der Veruntreuung von Parteigeldern bezichtigt. Natürlich wurde am Ende von seiten Käs’ die Urheberschaft bei Leuten aus dem Schlierer-Lager vermutet, während von dort der Vorwurf kam, Käs habe sich selbst angezeigt, wohl um es der anderen Seite in die Schuhe zu schieben. Wenn auch die Anzeige zu nichts führen sollte, so gab es doch Beschwerden der Kassenprüfer, nicht nur über eine Anzahl ungeklärter Schecks, sondern auch weil sie sich bei Tätigkeit auch noch behindert fühlten.

Tatsache aber ist, daß den Landesverband bei einer Schuld von 280.000 Mark für den Landtagswahlkampf gegenüber dem damals aushelfenden Bundesverband und einem Soll von nur noch gut 100.000 Mark nun 180.000 Mark Schulden belasten. Im Durcheinander der Diskussion bekamen die Delegierten schließlich kaum mit, daß sie bereits über die Entlastung des Landesvorstandes abstimmten, sollte doch zunächst die Verschiebung des Tagesordnungspunktes beschlossen werden. Und so entschied man schließlich zusätzlich, "zur Entlastung von den in der Öffentlichkeit bekannten Vorwürfen finanzieller Unregelmäßigkeiten" einen Wirtschaftsprüfer mit der Überprüfung der Vorfälle zu beauftragen.

Zur Abstimmung über den sonst einzig wirklich spannenden Tagesordnungspunkt, nämlich einen Antrag, "jeder Deutsche" sowie insbesondere "ehemalige Mitglieder" sollen "auf der Grundlage unseres Parteiprogrammes" (wieder) in die Partei eintreten dürfen, kam es nicht mehr: Verschoben bis zum nächsten Parteitag 2002. Spätestens dann wird der "Schlierer-Kurs", die "Ruhstorfer Beschlüsse" – nicht mit Leuten von DVU oder NPD zusammenzuarbeiten – in Frage gestellt, und die große Auseinandersetzung in der Partei könnte doch noch ausbrechen.

 

Fehlende Visionen

Herr Käs, der Landesparteitag der Südwest-Republikaner war geprägt von persönlichen Streitereien "aller gegen alle", statt inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Wahldebakel oder gar dem politischen Gegner. Die Landespartei bot ein Bild der Auflösung. Ist die Partei am Ende?

Käs: Nein, der Parteitag war ein klärendes Gewitter. Jetzt sehen wir alle wieder klarer. Arbeiten müssen wir aber vor allem an unserem Stil, innen wie außen.

Der frühere Landesvorsitzende der Republikanischen Jugend in Berlin, Thomas Kay, kritisierte im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT, die Chancen der Modernisierung seien nicht erkannt worden, die Partei sei "paralysiert" und "eine mitreißende Vision für ein besseres Deutschland" sei "auf der Strecke geblieben"."

Käs: Das Fehlen der großen Visionen ist tatsächlich ein Problem. Fehlen sie, gehen die Energien nach innen. Diese Aufgabe kann aber keine Landespartei lösen. Dies ist Sache der Bundespartei.

Seit Jahren liegen Sie mit Parteichef Schlierer über Kreuz. Warum?

Käs: Es wäre noch die Frage, wer hier mit wem über Kreuz liegt. Wir unterscheiden uns sehr, menschlich und politisch. Es gilt, dieses Spannungsfeld für die Partei nutzbar zu machen.

Sie haben deutlich gemacht, es ginge Ihnen nicht darum, die Partei weiter nach rechts zu führen, entscheidend sei, sich gegenüber dem Wähler mehr zu profilieren. Was meinen Sie damit?

Käs: Wir können die Blockade der meisten Medien gegen uns nur aufbrechen, wenn wir intensiv und mit provokanten Formulierungen an die Öffentlichkeit gehen. Und zwar mit unseren Kernthemen. Wir lagen mit unserem Wahlkampfthema Familiengeld im März völlig daneben.


 
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