© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Antifa heißt Herrschaft
von Josef Schüßlburner

In der Tat: Der "’Antifaschismus‘ kennt kein Ende" (C. M. Wolfschlag, JF 24/01). Und zwar deshalb, weil er tief in der bundesdeutschen Gesellschaft und deren internationaler Einbindung verwurzelt ist und daher, falls politisch opportun, jederzeit aus ihrer "Mitte" abgerufen werden kann. Dieser "Antifaschismus" geht auf die Weltkriegskoalition zwischen dem angelsächsischen (Links-) Liberalismus und dem moralisch so erhebenden Stalinismus zurück, was – in den Kategorien des bundesdeutschen Verfassungsschutzes gesprochen – auf ein Bündnis zwischen politischer Mitte, das heißt der "sanften Linken", und dem Linksextremismus hinausläuft.

Der Antifaschismus beruht auf dem (post-?)rassistischen Konzept der Kollektivschuld der Deutschen am "Faschismus" und kann deshalb erst dann wirklich "bewältigt" sein, wenn die Deutschen, Deutschland und das Deutschsein überwunden sind. Solange es noch Deutsche gibt und nicht "Europäer" oder gar nur "Menschen", hilfsweise "Verfassungspatrioten" und "Demokraten", besteht nach den bundesdeutschen ideologischen Reflexen, die seit den Tagen der Besatzungsherrschaft, der internationalen "Einbindung" par excellence, eingeübt worden sind, Faschismusgefahr.

"Antifaschismus" ist deshalb nach Auffassung der Linken und des sie protegierenden, natürlich befreundeten Auslands notwendig, solange es Deutsche gibt, denen implizit, manchmal sogar explizit unterstellt wird, den Holocaust fortsetzen zu wollen. Auch ein wesentlicher Bestandteil der Europaideologie der sogenannten Mitte besagt nichts anderes, indem man sich als "Europäer" in "Werten", die nur "Europa", aber anscheinend nicht die nationalstaatliche Demokratie garantiert, Erlösung vom Deutschsein erhofft. Ziel des Antifaschismus ist die Ausschaltung der politischen Rechten der "germanischen Nationen" (E. Todd, ehemaliger Berater des französischen Präsidenten zur Rechtfertigung des Österreich-Boykotts), damit die Deutschen nichts mehr zu sagen haben.

Nach Einschätzung von Peter Glotz, die er in einem Interview mit dem Focus (Nr. 11/1997) zum Ausdruck gebracht hat, verweigert die politische Klasse den Deutschen das Plebiszit auf Bundesebene aufgrund eines "verlängerten Hindenburg-Syndroms": "Wir müssen das alles so organisieren, daß das Volk nicht viel zu sagen hat, im Zweifelsfalle wählen die doch alle Nazis."

Hier ist von einem kenntnisreichen Vertreter der politischen Klasse klar zum Ausdruck gebracht, was diese wirklich denkt: Die Deutschen sind und bleiben potentielle Nazis. Schon die Rituale der "Bewältigung" machen diese Einschätzung deutlich: Man hält das doch eigentlich politisch völlig irrelevante NS-Regime (oder gibt es jemanden, der dieses restaurieren will?) und nicht etwa das politisch vielleicht noch relevante System der Mauerbauer deshalb für bewältigungsbedürftig, weil "man" meint, die Deutschen würden eher "Nazis" als "Kommis" wählen, woran offensichtlich selbst die totale Kontrolle der "Demokraten" über die etablierten Medien, insbesondere über das sozialisierte Rundfunksystem, nichts ändern würde.

Die Tatsache, daß etwa die mörderische Massenvertreibung von Deutschen nicht als bewältigungsbedürftig angesehen wird, zeigt, daß die "Bewältigung" keinem humanitären Anliegen dient, sondern antifaschistische Machtstrategie darstellt, die – gemessen an den eigenen Prämissen, wonach "bewältigt" werden müsse, damit eine Wiederholung ausgeschlossen ist – eine weitere Vertreibung oder zumindest Verdrängung der Deutschen billigend in Kauf nimmt. Eine Vokabel hierfür ist "Multikulturalismus", der Deutschen unter anderem verbietet, eine Gegenkultur zu veranstalten.

Für die etablierte antifaschistische "Bewältigung" fangen dabei "Nazis" schon bei "Hindenburg" an, was den "Kampf gegen Rechts" verständlich macht. Wer Auffassungen vertritt, die denen Hindenburgs – bislang einzig direkt vom deutschen Volk gewähltes Staatsoberhaupt der Geschichte – entsprechen oder zu entsprechen scheinen, ist zumindest "Rechtsextremist": Man versteht, warum Leute, die nicht links sind, aber trotzdem aus Gründen der demokratischen Überzeugung die Direktwahl des Bundespräsidenten fordern, "rechtsextrem" sein müssen.

Gleiches gilt selbstverständlich für Richtungen, die Ideen vertreten, die dem nichtkommunistischen deutschen Widerstand gegen Hitler entstammen. Schon die Lektüre bundesdeutscher Verfassungsschutzberichte vermittelt keine eindeutige Aufklärung, in welchem Verhältnis "Rechtsextremismus" zum "Faschismus" steht. Letztlich kann auch dahingestellt bleiben, ob nach der amtlichen Ideologiebewertung "Faschismus" etwas anderes meint als "Rechtsextremismus" oder ob "Rechtsextremismus" den Oberbegriff darstellt, der neben "Faschismus" noch andere Elemente enthält, die es außerhalb der Verfassungslegalität, zumindest außerhalb der staatlich gepflegten und für "Demokratie" gehaltenen Verfassungsideologie und den mit dieser verbundenen amtlichen Tabus und Wahrheitsansprüchen zu stellen gilt.

Entscheidend ist, daß hierbei eine antifaschistische Vorgehensweise vorliegt, die der kommunistischen Salamitaktik ähnelt, weshalb der bundesdeutsche VS die rechtsstaatlich irrelevante Kategorie "Rechtsextremismus" braucht und sich zur Feindbeschreibung nicht einfach mit "Nationalsozialismus" begnügen kann.

Die in der unmittelbaren Nachkriegszeit angewandte Taktik der vereinigten Linken hat darin bestanden, unter dem Schlagwort "Antifaschismus" mit Hilfe der Besatzungsmacht zunächst im Bündnis mit der Mitte die politische Rechte auszuschalten, bzw. diese lizenzpolitisch gar nicht erst zuzulassen. Dabei kam der Sowjetunion in ihrem Bereich herrschaftsideologisch zugute, daß sich die amerikanische Lizenzierungspolitik im westlichen Deutschland zunächst nicht allzu sehr von der sowjetischen Unterdrückung unterschied, hat der amerikanische Besatzungsliberalismus doch nicht nur den Nationalsozialismus verboten, sondern auch "pangermanische" und "militaristische" Propaganda und hat deshalb auch keine konservativen Parteien oder – zur Vermeidung des "Revanchismus" (in der VS-Sprache: geographischen Revisionismus) – Flüchtlingsparteien erlaubt.

Unter diesen Bedingungen war die Mitte dann vor die Wahl gestellt, sich entweder in den Linksblock einzureihen, das heißt "sanfte" Linke zu werden, oder als "rechts" und damit "faschistisch" ausgeschaltet zu werden. Da dieser kommunistische Antifaschismus dann die politische Option "Rechts", deren bloße Existenz die politische Freiheit hätte sichern können, als "verfassungsfeindlich" verbaut hat, konnte innerhalb der etablierten Linken die harte, also totalitäre Linie durchgezogen werden. Die SPD fand sich als "SED" kommunistisch vereinnahmt und im Wege "innerparteilicher Demokratie" zunehmend ausgeschaltet, und aus der CDU wurde eine "christliche" Blockpartei; ähnliches gilt für die liberale Mitte. Mit dem "antifaschistischen Schutzwall" hat dieses System den ihm angemessenen architektonischen Ausdruck erhalten (in der Tat hat das NS-Regime, da hat der Antifaschismus recht, ein derartiges Bauwerk nicht nötig gehabt).

Diese durchaus als geschickt anzusehende Herrschaftsmethodik ist zu verführerisch, um auf ihre Wiederholung ein für allemal zu verzichten, weshalb die DDR auch nicht "bewältigt" wird. "Aber alles muß demokratisch aussehen" (W. Ulbricht), jedoch herrschen nicht die Deutschen als Volk der Volksherrschaft (Demokratie) in Deutschland, sondern die sich mit dem ideologischen Antifaschismus selbst legitimierenden "Demokraten".

Für die bundesdeutsche Realverfassung ist dabei die Kartellabrede zwischen Adenauer und Schumacher entscheidend, durch manchmal etwas gekünsteltes Hochspielen angeblicher Gegensätze (bei Tabuisierung wirklich relevanter Themen) jeweils rechts und links von sich keine neuen Parteien hochkommen zu lassen. Diese Abrede konnte – bei Absehen von einem förmlichen Blockparteisystem der Lizenzierten – nur deshalb wirksam sein, weil ihr die vom Verfassungsgericht als Lizenzierungssurrogat verstandene ideologische Parteiverbotskonzeption zur Seite steht, die es erforderlichen Falles erlaubt, den Deutschen die Wahl unliebsamer Parteien, die tabuisierte Themen aufgreifen könnten, förmlich zu verbieten.

Das Rechtsinstitut eines ideologisch motivierten Parteiverbotes ist im freien Westen nicht bekannt (so auch die Erkenntnis des Verfassungsgerichts), da es mit (freier) Demokratie unvereinbar ist: Demokratie bleibt nur dann Herrschaft des Volks über seine Gewählten, wenn das Volk rechtlich unbeschränkte Optionen zur (Ab-)Wahl hat. Die obrigkeitliche Ausschaltung auch nur einer Option aus ideologischen Gründen, und zwar unabhängig von der Quantität dieser Option, richtet sich gegen das Volk als solches und es entsteht ein Obrigkeitsstaat, der sich gegen Volksanliegen immunisiert: Man braucht nicht zu diskutieren, sondern eröffnet allenfalls die "Verbotsdiskussion". Die dabei entstehende Ordnung kann nur deshalb "demokratisch" genannt werden, weil – wie in der Deutschen Demokratischen Republik – "demokratische Bekenntnisse" abgegeben werden. "Demokratie" wird dann zu einem Ideologiesystem (Säkularreligion), das die Verfolgung wegen falscher Auffassungen als Verfassungsschutz erlaubt.

Der bundesdeutsche Sonderweg der Beschränkung des politischen Pluralismus wird in liberalen Grundgesetz-Kommentaren – so bei Ingo von Münch – mit "historischen Erfahrungen und u. U. politischen Notwendigkeiten (jedenfalls in Deutschland)" gerechtfertigt. Damit ist das gleiche gemeint, was der linksextreme Antifaschismus ausdrücklich sagt: Man kann den Deutschen als potentiellen Faschisten nicht trauen; deshalb ist die Bundesrepublik als ein "neuer Typ der demokratischen Staatsform" errichtet worden, "für den wir noch die richtige Vokabel suchen" (so der offiziöse GG-Kommentar Maunz/Dürig/Herzog/Scholz). Würde es nämlich (freie) Demokratie – und nicht eine "freiheitliche", "wehrhafte", "werteorientierte", international eingebundene und zur Not "sozialistische" oder "volksdemokratische" – geben, hätten "Nazis" angesichts der demokratischen Unzuverlässigkeit der Deutschen wieder eine Chance.

Nun sind die entschiedensten Befürworter der Verbotsdemokratie, die deutschen Kommunisten, mit dem KPD-Verbotsurteil selbst Opfer dieser neuen Lehre von Demokratie geworden, und die bundesdeutsche Mitte konnte dabei stolz sein, daß sich aufgrund ihrer Initiative Beschränkungen des politischen Pluralismus nicht nur "gegen Rechts" richten. Diese Wendung des Antifaschismus (auch) "gegen Links" wurde als "Antitotalitarismus" verstanden. Schon die Alliierte Kommandatur in West-Berlin hat allerdings klargemacht, wie die "internationale Gemeinschaft" die bundesdeutschen Verbotsvorschriften angewandt wissen wollte: Die Erstreckung des KPD-Verbotsurteils nach West-Berlin wurde im Geiste des Antifaschismus untersagt und statt dessen im selben Geiste die in West-Deutschland nicht verbotene NPD in West-Berlin einem Quasi-Verbot (Wahlteilnahme- und Versammlungsverboten) unterworfen. Deshalb sah sich die CDU genötigt und ermutigt, die genannte Kartellabrede einzuhalten, und hat folglich die NPD Anfang der siebziger Jahre "vernichtet" (CDU-Sprache!). Die SPD hat die Kartellabrede zwar noch im Falle der mit Hilfe des Bundesjustizministeriums entgegen der Bindungswirkung des verfassungsgerichtlichen Verbotsurteils als DKP wiederbegründeten KPD eingehalten ("Berufsverbote"), hat sich aber schon geweigert, diese Abrede im Falle der überwiegend aus linksextremen Lagern kommenden Grünen nachzuvollziehen. Als der antifaschistische Schutzwall brach, war es dann gar nicht mehr vorstellbar, im Wege der Geltungserstreckung des bundesdeutschen Rechts die SED gemäß dem KPD-Verbotsurteil als verboten anzusehen. Statt dessen wurde mit Hilfe der bundesdeutschen Verbotssurrogate (Bekanntgabe von "Erkenntnissen" der Inlandsgeheimdienste und darauf aufbauende politische Diskriminierung) das Verbot der rechten Republikaner nachvollzogen, das die noch stalinistisch/links-extremistisch "gewählte" Volkskammer der Wende-DDR förmlich ausgesprochen hatte.

Der Verbotsantrag gegen die NPD markiert die endgültige Abkehr vom einbindungspolitisch sinnlos gewordenen Antitotalitarismus: Es gibt nur ein Verbotsverfahren "gegen Rechts", aber nicht auch gleichzeitig, wie es die Ideologie der "Mitte" (Antitotalitarismus) erfordern würde, einen Antrag "gegen Links". Damit ist die Bundesrepublik ideologisch in den Antifaschismus der Besatzungszeit zurückgeworfen, wobei "Europa" und die sonstige "Einbindung" die antifaschistische Funktion der Besatzungsmächte übernehmen, im Falle der zu (ent-)nazifizierenden Deutschen Demokratie im Namen der Demokratie zu "modifizieren".

Die Besatzungsmächte hatten ja Demokratie verkündet und gleichzeitig ihre Besatzungsherrschaft errichtet, obwohl sich eigentlich die Wiedereinsetzung der geltenden Weimarer Reichsverfassung für die Wiederherstellung von Demokratie angeboten und auch genügt hätte. In der gleichen Logik gab es 2000 den gegen die Deutschen als eigentliche Adressaten gerichteten europäischen Österreich-Boykott, nachdem schon 1993 das Europaparlament das Verbot rechter Parteien in Deutschland – und nicht etwa das Verbot der mit dem jeweiligen Terrorismus verbundenen baskischen und nordirischen Parteien – neben der Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit gefordert hatte. Auch letzteres ist als antifaschistische Maßnahme zu sehen: Wenn es keine (wirklichen) Deutschen mehr gibt, gibt es auch keinen Faschismus.

Die Aufnahme der ehemaligen Diktaturpartei SED ins demokratische Lager der Bundesrepublik ist hinreichender Beleg für die Wirksamkeit des Antifaschismus als Herrschaftsmethodik. Für die SPD zahlt es sich dabei aus, rechtzeitig von der Kartellabrede zwischen Adenauer und Schumacher Abstand genommen zu haben. Sie hat nunmehr alle Optionen, an denen sie als Linkspartei interessiert ist. Die CDU (gleiches gilt für die FDP) ist dagegen vor die Wahl gestellt, nach Ausschaltung der politischen Rechten selbst unter Faschismusverdacht gestellt zu werden oder zur Linkspartei zu werden: Nicht nur die Teilnahme von CDU/CSU-Vertretern an der Demonstration der politischen Klasse gegen das eigene Volk vom 9. November 2000, sondern "schwarz-grüne" Koalitionen zeigen, daß es sich bei der CDU/CSU, zumindest nolens volens, um eine Linksformation handelt. Dieser ist zur demokratisch erscheinenden Unterdrückung der Rechtsopposition im Nachtrag zur Kartellabrede erlaubt, Einwanderungsquoten zu diskutieren und sich im übrigen der Europamystik hinzugeben und sich dabei durch Abschaffung der Deutschen Mark (=Bekämpfung des DM-Nationalismus) Verdienste zu erwerben.

 

Josef Schüßlburner ist als Jurist im Bundesdienst beschäftigt und wird derzeit wegen Auffassungen, die der hier veröffentlichten Stellungnahme entsprechen, mit Hilfe des Disziplinarrechts politisch verfolgt. Die Veröffent- lichung seines Buches "Freiheit unter Vorbehalt – Muß die Verfassung vor den Deutschen geschützt werden?" hat sein Dienstherr verboten, da es in einem vom Verfassungsschutz überwachten Verlag erscheinen sollte. Eine Freigabe der Veröffentlichung durch das Verwaltungsgericht Köln ist noch nicht erfolgt.


 
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