© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Mit dem Mut der Verzweiflung
Berlin II: Ein Gespräch mit dem Republikaner Thomas Kay über die Wahlaussichten seiner Partei
Thorsten Thaler

Herr Kay, in Berlin haben sich alle etablierten Parteien für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst bereits personell aufgestellt und bereiten jetzt den Wahlkampf vor. Die Republikaner scheinen sich allerdings schwerzutun, jedenfalls hört und sieht man nichts von der Partei. Woran liegt das?

Kay: Die Republikaner werden in Berlin zur Wahl antreten, das ist sicher. Daß das in der Öffentlichkeit bisher nicht wahrgenommen wurde, liegt nur zum Teil daran, daß die Medien jegliche Aktivitäten der Partei systematisch verschweigen. Ein nicht unerheblicher Teil der Verantwortung ist bei selbstkritischer Betrachtung auch bei der Partei selbst zu suchen. In ihr herrscht zur Zeit einfach zu wenig Leben. Ich sehe eine Chance, die Medienblockade zu durchbrechen, wenn wir es schaffen, sowohl zeitlich schnell als auch mit intelligenten und provokativen Aktionen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Bedauerlicherweise habe ich den Eindruck, daß die Chancen dieser Modernisierung von einem Großteil der Verantwortlichen bei den Republikanern nicht erkannt werden.

Aber müßte die Partei nicht gerade jetzt nach der Wahlschlappe in Baden-Württemberg und angesichts der Bedeutung der Berliner Wahl für ganz Deutschland Flagge zeigen?

Kay: Ich halte das angesichts der desolaten Lage Berlins sowie des unglaublichen Paktierens der SPD mit der SED/PDS für absolut notwendig. Aber die Wahlniederlage in Baden-Württemberg scheint die Partei paralysiert zu haben. Trotz aller Enttäuschung über dieses Wahlergebnis müssen wir jedoch wieder mit einer Art "Jetzt erst recht"-Haltung nach draußen gehen. Die Spitze der Bundespartei verfügt sicherlich über ein hohes Maß an Intellektualität und Sachkenntnis, aber leider auch über ein Defizit an menschlicher Führung und Motivationsstärke. Letzteres ist aber für eine wirksame Mobilisierung der eigenen Partei und deren Stammwähler extrem wichtig. Mit dem Wahlerfolg von 1989 in Berlin betraten die Republikaner die politischen Bühne und verschafften sich ein bundespolitisches Gewicht. Daraus erwächst aus meiner Sicht auch eine besondere Verantwortung der Parteispitze für unsere Hauptstadt Berlin.

Wie beurteilen Sie die personelle Situation der Partei in Berlin?

Kay: Die Situation der Partei läßt sich auf keinen einfachen Nenner bringen. Es ist sicherlich ein gewisser Mitgliederrückgang zu verzeichnen, was jedoch nach einer verlorenen Wahl nichts ungewöhnliches ist. In Berlin wird sich der eine oder die andere trotz entsprechender Qualifikation eine Kandidatur gut überlegen. Ich selbst bin unentschlossen. Die Personaldecke der Partei ist nicht gerade üppig. Die vom Bundesvorstand blockierte Wiederaufnahme von ehemaligen Mitgliedern, die mit ihrer Kompetenz die Partei bereichern würden, betrachte ich als eine verhängnisvolle Selbstblockade.

Wie ist die Stimmung und Motivation bei den Mitgliedern an der Basis?

Kay: Die Menschen, die sich den Republikanern angeschlossen haben, sehen in Politik nicht lediglich einen Kampf um Macht, Geld und Posten, wie es bei den Altparteien gang und gäbe ist. Sie sind verantwortungsbewußte Menschen, denen die Zukunft unseres Landes am Herzen liegt. Diese Motivation hat ihre Wurzeln in einer idealistischen Grundhaltung; bedauerlicherweise findet dieses Potential in den Überlegungen der Verantwortlichen auf Bundesebene zu wenig Beachtung. Fachlichkeit und Sachlichkeit werden von der Parteiführung zu stark in den Vordergrund gestellt, um aus einer permanenten Rechtfertigungshaltung heraus die eigene Politikfähigkeit zu beweisen. Auf der Strecke bleibt dabei eine mitreißende Vision für ein besseres Deutschland. Hinzu kommt eine berechtigte Verbitterung bei vielen über die systematische Ignorierung der Partei durch die Medien. Die Stimmung in Berlin ist aus meiner Sicht anzusiedeln zwischen Weitermachen, Abwarten und Resignation.

Finanziell sieht es nicht rosig aus. Wie kann die Partei unter diesen Bedingungen überhaupt auf sich aufmerksam machen?

Kay: Im heutigen Medienzeitalter gewinnt man Wahlen nicht mehr mit Flugblattaktionen, sondern durch kreative, ideenreiche, vielleicht hier und da auch aufsehenerregende Aktionen. Mit Hilfe einfallsreicher Aktionen kann auch mit kleinem Budget Aufmerksamkeit erzeugt werden. Und damit meine ich ausdrücklich nicht jene wie "politischer Karneval" anmutenden Veranstaltungen von rechts- außen, die fast wie bestellt der politischen Linken das einschlägige Fotomaterial liefern. Die Republikaner müssen eine modernen Anforderungen genügende Kampagnenfähikeit erlangen und schnell und spontan auf politische Ereignisse und Gegner reagieren können, die Partei muß zu einer Art "Aktionspartei" werden. Die Ignoranz gegenüber den Chancen, die uns das Internet bietet, kann ich nur als grob fahrlässig bezeichnen. Ein Blick auf die Internet-Seiten der Partei spricht aus meiner Sicht Bände. Der Internetauftritt der Republikaner muß zu einer zentralen Kommunikations-Plattform entwickelt werden und darf nicht länger als Ablagemöglichkeit für alte Pressemitteilungen dienen. Auch daß die Partei nie offensiv um Spenden auch von Nichtmitgliedern geworben hat, ist aus meiner Sicht ein bedeutsamer Fehler.

Welche Chancen räumen Sie den Republikanern bei der Wahl in Berlin ein?

Kay: Da der Termin der Hamburger Wahl höchstwahrscheinlich auf einen Termin vor der Berlin-Wahl fällt, befürchte ich, daß die Chancen für die Republikaner dadurch geschmälert werden. In Hamburg besteht die Gefahr, daß die Republikaner zwischen Richter Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive und dem Frey-Wahlverein DVU zerrieben werden. Ein desillusionierendes Null-Komma-X-Ergebnis wäre ein verheerendes Signal für Berlin. Im gerade begonnenen Berliner Wahlkampf wurden bedauerlicherweise schon einige Chancen vergeben. Die Aktion "Neuwahlen jetzt", initiiert von Grünen, FDP und PDS, ging offenbar an den Republikanern vorbei. Der historische Sündenfall der SPD, mit der PDS zu paktieren, hat ebenfalls bei den Republikanern keine Reaktion der Empörung hervorgerufen. Eine konsequente Auseinandersetzung mit der Mauermörderpartei fehlt gänzlich. Unter Berücksichtigung dieser Defizite und des wahrscheinlichen Abschneidens bei der Wahl in Hamburg möchte ich mir das Berliner Wahlergebnis insgesamt besser nicht ausmalen ...

 

Thomas Kay , 32, war Vorsitzender der Republikanischen Jugend und Mitglied im Landesvorstand der Republikaner, zuletzt als Geschäftsführender Landesvorsitzender. Zur Zeit ist er Kreisvorsitzender und seit 1999 Bezirksverordneter in Lichtenberg-Hohenschönhausen.


 
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