© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
Klare Worte
Estland: KP und KGB waren verbrecherische Organisationen
Gustav Domberg

Eine Initiative der estnischen Mitte-Rechts-Koalition unter der Führung der Vaterlandspartei, aber auch mit Beteiligung von Teilen der Opposition, sieht vor, daß die ehemalige Kommunistische Partei der Sowjetunion und der sowjetische Geheimdienst KGB (NKWD) in Estland nachträglich zu "verbrecherischen Organisationen" erklärt werden sollen.

Allerdings gelang es nicht, vor der parlamentarischen Sommerpause zu einem Beschluß über eine solche Entschließung zu kommen. Hintergrund für die Vertagung des Problems auf den Herbst ist die estnische Innenpolitik, genauer gesagt: die Situation in der estnischen Hauptstadt Tallinn/Reval. Hier benötigt die regierende Mitte-Rechts-Koalition für die Wahl eines neuen Bürgermeisters Stimmen der russischen Parteien . In estnischen politischen Kreisen kursiert das Gerücht, die ansonsten klar "nationale" Vaterlandspartei – die auch den Premier Mart Laar stellt – habe den russischen Minderheitsparteien Zugeständnisse gemacht, um die Unterstützung russischer Stimmen bei der Wahl des neuen Bürgermeisters zu erhalten.

Die russischsprachige Presse hat bereits auf die Gefahr einer "Spaltung der Gesellschaft" aufmerksam gemacht und den verbrecherischen Charakter des Sowjetregimes bestritten. Die in Tallinn erscheinende russische Zeitung Molodjosch Estonii zitierte sogar israelische Diplomaten, die sich verwundert darüber zeigten, daß in Estland wohl der Kommunismus, nicht aber der Nationalsozialismus verurteilt werde. Die Debatte ist vor dem Hintergrund der Massendeportationen und zahlreichen Hinrichtungen zu sehen, unter denen die Esten während des Sowjetregimes zu leiden hatten. Im Oktober soll die Antikommunismus-Resolution erneut im estnischen Parlament zur Sprache kommen. Etwaige Parallelen zur Berliner Entwicklung seien nicht ganz zufällig, meinte ein estnischer Beobachter.


 
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