© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
WIRTSCHAFT
Die Kirche, das Geld und der Kapitalismus
Bernd-Thomas Ramb

Den Ruf Frankfurts als Bankenplatz aufgreifend, hat der Evangelische Kirchentag seinen diesjährigen Veranstaltungsort als wohl unvermeidlichen Programmpunkt instrumentalisiert. Geld und Reichtum wird dabei als Synonym für Bankenmacht und Kapitalismus gesehen, letzterer selbstverständlich in seiner ebenso verbreiteten wie unzutreffenden Diffamierung als kapitalistische Ausbeutung. Ebenso selbstverständlich wie langweilig gilt aus kirchlich korrekter Sicht all dies als verdammenswerte Versündigung der Menschen an Armut und Bescheidenheit. Wen wundert es, daß solche Diskussionsveranstaltungen des Kirchentags kaum Beachtung fanden, konnten doch nur alte Vorurteile als Ergebnis durchgehen.

Solche Pflichtübungen verdeutlichen eindrucksvoll den allgemeinen Mangel an grundlegenden ökonomischen Kenntnissen, aber auch eine gewisse Verlogenheit zahlreicher Kirchenfunktionäre. Ohne Reiche gäbe es nur Arme. Dieser erste Grundsatz der Verteilungsökonomik wird in der öffentlichen Verlautbarung ebenso negiert oder verleugnet, wie die Tatsache, daß sich noch nie – selbst unter brutalstem kommunistischen Regime – Vermögensdifferenzen verhindern ließen, stets von den religiösen Gemeinschaften genutzt wurde. Viele der kirchlichen Reichtumsverteufler und Geldverdammer profitieren im übrigen unmittelbar von den Steuergeldern der Einkommensreichen. Übertroffen wird diese Schizophrenie von den Tiraden auf den Kapitalismus. Wer von der Macht des Kapitals spricht, sollte in erster Linie die organisatorische und produktive Kraft erkennen, ohne die es keine Armen gäbe, weil für sie das Existenzminimum nicht gesichert wäre. Die Botschaft "lieber fromm, doof und verhungert" dürfte kaum den Niedergang einer Religionsgemeinschaft stoppen.


 
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