© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
Energie und Autarkie durch Sonnenkraft
Umweltmessen: Solar Energy – Weltmesse für erneuerbare Energie / Narossa – Messe für nachwachsende Rohstoffe
Alexander Barti

Vor dem Eingang der Messehalle sieben gab es keinen Massenandrang, es bildeten sich keine Besucherschlangen. Die Zurückhaltung bei der Bevölkerung hing unmittelbar mit der Solarmesse zusammen, die vom 8. bis 10. Juni in Berlin veranstaltet wurde: Wer mitreden bzw. fragen wollte, mußte technisch versiert sein, sonst ging er in dem Begriffswirrwarr von Kilowattstunden, Wechselrichter und Modulardesign hoffnungslos verloren. Bei einem unbedarften Rundgang in den Hallen konnte aber auch dem Laien nicht verborgen bleiben, daß der Markt mit erneuerbaren Energietechnologien mächtig boomt.

Die galoppierenden Preise von fossilen Brennstoffen lassen immer mehr Häuslebauer und Architekten zur blauen Siliziumplatte greifen. Nicht zuletzt hat auch das 100.000-Dächer-Programm und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der rot-grünen Regierung – das muß man anerkennen – für Schub in der Ökobranche gesorgt. Das Potential ist enorm, denn heute liegt der Anteil von Sonnenstrom in Deutschland unter einem Prozent. Innerhalb von 50 Jahren hofft man den Anteil auf 30 Prozent ausbauen zu können. Wer nun aber glaubt, die deutsche Solar-Industrie könne sich entspannt auf dem Sessel des Weltmarktführers zurücklehnen, da die Nachfrage "von alleine" stetig steige, irrt gewaltig. Aus dem fernen Osten zeichnet sich gewaltige Konkurrenz ab. Zwar schwächelt die japanische Industrie schon seit Jahren, aber auf dem Solarmarkt wurde ordentlich geklotzt. Im Mai 2001 ging die Modulfertigung von Sharp in Betrieb, die in diesem Jahr mehr produzieren wird, als in Deutschland verbaut werden kann.

Im vergangenen Jahr wurde jedes zweite Solarmodul in Japan hergestellt, und diese Quote könnte noch weiter ansteigen, denn in Europa und in den USA können die Ausbaupläne mit dem fernöstlichen Tempo nicht Schritt halten. Allerdings ist bisher kaum ein japanisches Solarmodul auf dem deutschen Markt aufgetaucht, da die Japaner erstmal damit beschäftigt sind, ihren heimischen Markt zu sättigen. Sobald der Ausstoß der japanischen Fabriken über den heimischen Bedarf hinaus ansteigt – eine Entwicklung, die im Juni/Juli erreicht ist –, wird man nach neuen Märkten Ausschau halten – und in Deutschland einen äußerst lukrativen finden. Schon im April konnte man die ersten Japan-Module auf der Hannover-Messe begutachten, und die deutsche Solar World AG wird ab sofort Sharp-Solarmodule in ihr Sortiment aufnehmen.

Daß nicht nur Neugründungen an der Solartechnik beteiligt sind, zeigt die Präsenz des Ölmultis British Petroleum (BP), der mit bpsolar intensiv auf dem Gebiet der Sonnenenergie forscht und entwickelt. Der Wettlauf um den Besitz von technischer Schlüsselkompetenz hat – so scheint es – schon lange begonnen.

Die Preise für Solartechnik sind in den vergangenen zwei oder drei Jahren noch nicht wesentlich gesunken, aber wenn auch der hiesige Markt enger wird, werden die Preise ebenso purzeln wie in der Handy-Branche, weissagen die Experten. Daß dann die Japaner mit ihren gewaltigen Kapazitäten einen ebenfalls gewaltigen Kostenvorteil gegenüber der deutsch-europäischen Konkurrenz haben werden, liegt auf der Hand.

Mit Narossa, der Messe für nachwachsende Rohstoffe, konnte man in Magdeburg eine weitere zukunftsweisende Veranstaltung besuchen. Im Mittelpunkt der dreitägigen Fachschau standen in diesem Jahr vor allem die Pflanzenbiotechnologie und der Biodiesel. Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen sei auf dem Vormarsch. Besonders beliebt ist Raps, dessen Anbaufläche auch in Sachsen-Anhalt kontinuierlich ausgeweitet wird und mittlerweile sechs Prozent (47.000 Hektar) der landwirtschaftlichen Nutzfläche beträgt.

Aber nicht alle Aussteller bewegten sich im natürlichen Rahmen. Vertreten war zum Beispiel auch die Firma Icon Genetics, ein weltweit operierendes Unternehmen mit Forschungseinrichtungen in Halle und Gatersleben, das sich mit Genübertragungen in Pflanzen beschäftigt. Die Schirmherrschaft für Narossa übernahm das Bundeslandwirtschaftsministerium und unterstrich damit den Willen der deutschen Politik, die Energiewende zu unterstützen.

Ob biologisch abbaubare Verpackungen, natürliche Öle und Fette oder ökologische Bau- und Dämmstoffe für den Hausbau, den Besuchern präsentierte man eine breite Palette innovativer Lösungen für eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Messechef Enzberg hofft, daß Narossa zum zentralen Anlaufpunkt in Deutschland für nachwachsende Rohstoffe wird.

Ein wichtiger Aspekt der erneuerbaren Energieformen wurde leider auf keiner der beiden Messen diskutiert: die Möglichkeiten einer weitgehenden Energie-Autarkie Europas durch die effektive Nutzung von Sonnenstrom und Biomasse waren kein Thema. So bleibt es jedem selbst überlassen, sich Gedanken über ein Europa zu machen, das gänzlich befreit ist von den fossilen Energieträgern aus weiter Ferne.


 
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