© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
Stilsicher in Szene gesetzt
Julia Poser

Von Kaiserin Maria Theresia ist der Satz überliefert: "Wenn ich eine gute Oper hören will, gehe ich nach Eszterháza." Für unsere Tage kann man die österreichische Monarchin in dieser Form zitieren: "Wenn ich eine gut inszenierte Oper erleben will, fahre ich nach Dessau". Denn dort, im "Theater an der Mulde", macht Generalintendant Johannes Felsenstein noch sehenswertes Theater. Er hat nicht nur als einziger in Deutschland im Verdi-Jahr ein verkanntes Frühwerk des italienischen Komponisten aus der Versenkung gehoben, sondern auch einen besseren deutschen Text erstellt, der sich stärker an Friedrich Schillers "Jungfrau von Orleans" orientiert als die Übersetzung von Verdis Librettisten Solera. Dieser straffte die Handlung zu einem bühnentauglichen Opernlibretto und reduzierte die Personen des Schillerschen Dramas von siebenundzwanzig auf nur drei Hauptpersonen und zwei Nebenrollen.

"Giovanna d’Arco" war Verdis siebte Oper; sie wurde 1845 in der Mailänder Scala uraufgeführt. Musikalisch bringt Verdi starke Kontraste, die sich schon in der Ouvertüre ankündigen. Neben Johannas innigen Gebeten stehen wuchtige Schlachtszenen mit kriegerischem Trompetengeschmetter, großartige Chöre wechseln mit beinahe kammermusikalischen Szenen ab. Höhepunkt ist das Duett zwischen der von den Engländern gefangenen Johanna und ihrem Vater Thibault d’ Arc, der, bei Schiller nur in eine Nebenrolle, zur Hauptrolle aufgewertet ist.

Daß diese Szene so überzeugend gelingt, ist vor allem das Verdienst des großartigen Sängerdarstellers Ludmilla Kuntshev, der sowohl den rachsüchtigen wie auch den liebenden Vater glaubhaft darstellt. Sein kraftvoller, edler Bariton ist in der Verfluchung der angeblich von Satan besessenen Tochter zu starken Ausbrüchen fähig, findet aber in den verzeihenden Passagen Töne bewegender Zartheit. Galina Chesterneva als Johanna überzeugt mit innigem Sopran und rührendem Spiel. Trotz einer starken Erkältung brachte Ivan Moutaftchiev den französischen König und rettete damit diesen Abend. Mitreißend und in echter Italianitá dirigierte Wolfgang Kluge die Anhaltische Philharmonie, feurig klangen die Chöre. Mit nur wenigen Requisiten und einer raffinierten Beleuchtung zauberte Fridolin Kraska stilsicher eine Burg, den Vorplatz der Kathedrale von Reims, Johannas Verlies und ein Schlachtfeld auf die riesige Bühne. Gut paßten dazu die historischen farbenfrohen Kostüme von Barbara Albrecht. Die oft als schwächeres Werk Verdis genannte Oper erweist sich in Felsensteins Inszenierung als überaus lebendig und kraftvoll.


 
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