© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
Danubia unter Druck
Burschenschaften: Der bayerische Innenminister Beckstein erhebt Extremismus-Vorwurf gegen Studentenverbindungen
Christian Vollradt / Moritz Schwarz

Die Münchner Burschenschaft Danubia scheint in einen Skinhead-Überfall in der bayerischen Hauptstadt verwickelt zu sein, der im Januar diesen Jahres bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Nach einer Geburtstagsfeier am 12. Januar hatte eine Gruppe von mindestens zwanzig Skinheads einen griechischen Passanten überfallen und beinahe zu Tode geprügelt. Mehrere zufällig des Weges kommende Türken konnten den Griechen in letzter Sekunde retten. Die Freundin des mutmaßlichen Haupttäters, des 20jährigen Skinheads Christoph Schulte, beschuldigt den Griechen, versucht zu haben, sie "anzumachen". Daraufhin habe die 18jährige Schülerin die Geburtstagsgesellschaft alarmiert, die dann über den Mann hergefallen war. Der bei der Prügelei mit den einschreitenden Türken selbst verletzte Schulte wurde von einem Burschen, der angeblich der Verbindung Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg angehört, zum Haus der Danubia gebracht und erhielt dort eine Übernachtungsmöglichkeit. Am nächsten Morgen verschwand Schulte und tauchte unter.

Die Münchner Burschenschaften reagierten in einer gemeinsamen Erklärung "mit Entsetzen" auf die Vorwürfe gegen die Danubia. In dem Papier distanzieren sie sich von Gewalt und Extremismus, verweisen auf die freiheitliche Tradition von 1848, in der die deutschen Burschenschaften stehen, und bekennen sich "zu den Idealen der Demokratie, der Toleranz und der Menschenwürde". "Stinksauer", so heißt es intern, seien die übrigen Verbindungen auf die Danubia. Die Danuben unterhielten in der Tat Kontakte, die "nicht mehr tolerabel" seien. Die übrigen Münchner Burschenschaften forderten die Verbindung auf, "sich nach Prüfung des Sachverhaltes von Mitgliedern zu trennen", sollte sich tatsächlich herausstellen, daß diese "gegen Gesetze verstoßen und sich dadurch als unwürdig erwiesen haben".

Die so in die Kritik geratenen Danuben zeigten sich bestürzt, offenbar hatten sie zunächst keine Ahnung, wer da die Möglichkeit zur Übernachtung in ihrer allen "späten Gästen" – die sich zuweilen auch nicht mehr auf den Beinen halten können – zur Verfügung stehenden "Leichenkammer" genutzt hatte. Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT teilte die Staatsanwaltschaft München mit, daß tatsächlich "Erkenntnisse, daß Verantwortliche der Danubia Christoph Schulte in Kenntnis sämtlicher Tatumstände versteckt haben, nicht vorliegen". Eine Durchsuchung der betreffenden Kellerräume der Danubia durch die Polizei brachte ebenfalls keinerlei Hinweise auf eine Schuld der Danubia. Statt dessen richten sich die Ermittlungen nun gegen den angeblichen Teutonen, der Schulte den Danuben untergejubelt hatte.

Zu ihrer Entlastung führen die Danuben weiter ins Feld, der mutmaßliche Täter hätte angegeben, nach Verlassen des Burschenhauses die nächste Polizeistation aufzusuchen, um sich nach dem Verbleib seiner Freundin zu erkundigen. Tatsächlich bestätigt dies der zuständige Oberstaatsanwalt Manfred Wick gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Wie sich allerdings inzwischen herausgestellt hat, war ein Mitglied der Danuben Mitorganisator besagter Geburtstagsfeier. Die Burschenschaft reagierte darauf mit sofortiger Suspendierung ihres Bundesbruders – also Ausschluß auf Zeit, bis zur Klärung der Vorwürfe.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 19. Juni, auch wenn die Danuben in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar nichts von dem Mordversuch an dem Griechen gewußt hätten, so wären ihnen wenig später die Zusammenhänge durchaus klar geworden. Die SZ zitiert die fatale Aussage eines Mitgliedes der Danuben: "Wir haben damit gerechnet, daß die Bombe irgendwann platzt." Von der JUNGEN FREIHEIT mit diesem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert, schwieg der Sprecher der Burschenschaft und verwies auf künftige offizielle Stellungnahmen.

"Wir haben damit gerechnet, daß die Bombe platzt"

Mit Unverständnis reagierten die Danuben am Tag vor Bekanntwerden der Affäre um den Skinhead Schulte auf eine Erklärung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein. Der hatte in einer Pressemitteilung vom 14. Juni die Öffentlichkeit überraschend vor "verstärkten Bemühungen von Rechtsextremisten, in akademischen Burschenschaften und über Studentenverbindungen an den Hochschulen Einfluß zu gewinnen", gewarnt.

"Die Danubia", heißt es in der Mitteilung, habe "wiederholt Rechtsextremisten ein Forum für verfassungsfeindliche Auftritte" geboten. So haben der "Cheftheoretiker des rechtsextremistischen Deutschen Kollegs Reinhold Oberlercher" und "der NPD-Funktionär und frühere RAF-Terrorist Horst Mahler" im Rahmen der "Bogenhausener Gespräche" Vorträge vor der Burschenschaft gehalten. Auch die Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg und die Burschenschaft Frankonia zu Erlangen nennt das Innenministerium.

Der Erwähnung ihres Bundes in dem Papier Becksteins stehen die Danuben "gelassen gegenüber", so Sascha Jung, selbst Sozialdemokrat und Organisator der Bogenhausener Gespräche, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die Verantwortung für die Bogenhausener Gespräche hätten in den vergangenen fünf Jahren zwei sozialdemokratische, zwei christdemokratische und ein parteiloser Student innegehabt.

Die Danubia kartete in einer öffentlichen Stellungnahme zurück: "Beckstein biedert sich an die politische Linke an", indem er "die Wortwahl der Antifa nachplappert". Empört zeigte sich die Burschenschaft aber über die Glättung der Tatsachen durch das Innenministerium: So sei "der NPD-Funktionär Horst Mahler" zum Zeitpunkt des Gesprächs vor über drei Jahren nicht Mitglied der NPD gewesen, geschweige denn, daß ihn damals jemand mit dieser Partei in Verbindung gebracht hätte. Im Gegenteil, Mahler galt 1998 noch als vom ehemaligen Rechtsanwalt Gerhard Schröder verteidigter RAF-Aussteiger. Ebenfalls unterschlägt die Pressemitteilung die frühere Funktion Reinhold Oberlerchers als Exponent der 68er-Bewegung und wichtiger SDS-Funktionär und verzerrt so das Bild der Danuben-Veranstaltung.

Die Danuben verweisen auf ihre 150jährige Tradition unter dem Wahlspruch "Frei in Rede, kühn in Tat!", die "jedem das Wort gewährt, der sich an einem demokratischen Diskurs" beteiligen wolle. Scharf wendet sich die Burschenschaft gegen den Versuch, die "Hochschulen politisch ’sauber‘ zu halten" , wie dies unter den Nationalsozialisten und in der SED-Diktatur versucht worden sei. Nicht ohne Häme verweisen die Danuben auch auf einen Bericht des Deutschland-Magazin, dessen Herausgeberkreis nahezu gänzlich mit CDU/CSU-Parteibüchern ausgestattet ist: In der Ausgabe vom März 2000 wurden die Bogenhausener Gespräche der Danubia auf zwei Seiten geschildert und unter ausdrücklicher Nennung des ehemaligen RAF-Aktivisten Horst Mahler als "jenseits aller herkömmlichen Denkverbote verlaufend" gewürdigt.

Auch die Vorsitzende Burschenschaft des Dachverbandes der Burschenschaften (DB), die Marburger Rheinfranken, kritisiert die Presseverlautbarung Becksteins. "Da werden Dinge – die zudem Jahre zurückliegen – so zusammengefaßt, als ob sie ein Schlaglicht auf die Situation heute werfen", so der Sprecher der Rheinfranken, Mark Natusch, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Das zeige, daß die Aktion Becksteins "wohl eher der aktuellen Rechtsextremismus-Debatte geschuldet" sei. Gleichwohl, so Natusch: "Wir müssen den Vorwürfen nachgehen."

"Beckstein biedert sich an die politische Linke an"

Der ebenfalls in dem Beckstein-Bericht erwähnten Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg bläst der Wind auch von universitärer Seite scharf ins Gesicht. Wegen eines von dieser Burschenschaft organisierten Vortrages des NPD-Theoretikers Jürgen Schwab untersagte der Rektor in einem Schreiben vom 15. Juni 2001 den Teutonen, mit Aushängen an der Universität für Veranstaltungen zu werben. Auf Anfrage der JF teilte die Burschenschaft mit, man habe Schwab nicht wegen seiner Parteizugehörigkeit eingeladen, sondern ihn als Verbandsbruder (Schwab ist Mitglied der Prager Burschenschaft Thessalia) und Buchautor referieren lassen. Der Vorwurf konspirativer Absichten sei unsinnig, da zu diesem Vortrag neben der interessierten Öffentlichkeit auch die Presse eingeladen worden sei, die jedoch nicht erschienen war.

Der studentische Sprecherrat der Universität Regensburg sowie die Hochschulgruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern nun ein Verbot der Burschenschaft Teutonia und die Schließung ihres Hauses. Begründet wird dies mit dem Vorwurf des "Rassismus", den man bei den Teutonen schon vor zwei Jahren ausmachen wollte, als sie in einem Flugblatt vor der doppelten Staatsangehörigkeit warnten.

Den Vorwurf, ein Teutone habe den Skinhead Schulte bei der Danubia untergebracht, dementierte die Burschenschaft gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: "Keines unserer derzeitigen Mitglieder" sei an den Vorgängen beteiligt gewesen. Über das Adjektiv "derzeitig" schweigt die Burschenschaft sich allerdings aus.

Der mehrere Monate flüchtige Christoph Schulte wurde inzwischen in Holland gefaßt. Zwar hatte er sich am 13. Januar bei der Polizei tatsächlich nach seiner Freundin erkundigt, sich jedoch nicht zu erkennen gegeben. Gegen zwölf der Skinheads, inklusive Schulte, wurde inzwischen Anklage erhoben. Die Verhandlungen gegen die ersten – minder schwer belasteten Personen – sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft für nächste Woche anberaumt.

Die Affäre um die Danubia trifft die deutschen Burschenschaften in einer schwierigen Situation, denn der von Bundesregierung und den öffentlichen Institutionen undifferenzierte, sogenannte "Kampf gegen Rechts" hat auch die altehrwürdigen Verbindungen, im 19. Jahrhundert Vorkämpfer für Republik, Freiheit, Ehre und Vaterland, unter den Generalverdacht des Rechtsextremismus gestellt. So sendeten etwa die "Tagesthemen" bereits im Januar völlig unmotiviert einen Brandbericht gegen die Burschenschaften, in dem den Verbindungen angebliche Beziehungen zur NPD aus den achtziger Jahren (!) angelastet wurden. Verfremdete Bilder von Burschen-Umzügen erweckten Erinnerungen an unaufhaltsam marschierende SA-Kolonnen.

Die Süddeutsche Zeitung betitelte ihren Beitrag vom vergangenen Dienstag mit "Burschenschaft versteckt Neonazi", um dann im Artikel doch sang- und klanglos der Darstellung der Staatsanwaltschaft zu folgen, die keinen Grund für solch einen Verdacht gegenüber der Danubia sieht.

Warum die Affäre Danubia ausgerechnet jetzt, nur vier Tage nach der Pressemitteilung Günter Becksteins, aber fast dreieinhalb Monate nach der Durchsuchung des Danuben-Hauses, an die Öffentlichkeit gelangte, ist unklar. Recherchen der JUNGEN FREIHEIT beim Bayerischen Rundfunk, der sich auf eine "exklusive Quelle" beruft, blieben ergebnislos. Der BR sei in Kenntnis gesetzt worden, habe die Informationen bei der Staatsanwaltschaft gegengeprüft und dann am Montag veröffentlicht. Dabei war der BR selbst davon ausgegangen, die Durchsuchung bei den Danuben habe erst wenige Tage zuvor stattgefunden, und demzufolge die "Affäre Danubia" als "neue Spur" dargestellt.

Obwohl also die Polizei bereits seit Monaten wußte, daß sich der Verdacht gegen die Danuben nicht bestätigt hatte, stellte das Bayerische Fernsehen die Vorgänge als in "der Schwebe" dar und konfrontierte seine Studiogäste in der Nachrichtensendung "Rundschau" vom 18. Juni – Innenminister Beckstein und einen Politologen der Universität Passau – mit einem längst widerlegten Szenario. Innenminister Beckstein drohte demzufolge damit, entsprechende Burschenschaften künftig in den Landesverfassungsschutzbericht mit aufnehmen zu lassen, wenn es den betroffenen Verbindungen nicht gelinge, "selbst mit dem Problem fertigzuwerden".

Ein Sprecher des Innenministeriums äußerte am Dienstag gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß ein Verbot "im Moment noch kein Thema" sei, man aber beim anstehenden Halbjahresbericht des Landesverfassungsschutzes "dem Problem größere Aufmerksamkeit" widmen werde.


 
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