© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/01 22. Juni 2001

 
"Die PDS ist unser Gegner"
FDP-Spitzenkandidat Günter Rexrodt über die Gefahr einer rot-roten Koalition und die Berliner Liberalen vor den Neuwahlen
Moritz Schwarz

Herr Dr. Rexrodt, die FDP ist voraussichtlich die einzige politische Kraft, die eine Regierungsbeteiligung der PDS bei den Neuwahlen in Berlin verhindern kann.

Rexrodt: Das ist richtig.

Sie wollen die SPD für sich gewinnen?

Rexrodt: Wir machen zu diesem Zeitpunkt keine Koalitionsaussagen. Wir wollen mit einer der großen Parteien eine Koalition bilden. Ein Zusammengehen mit der PDS schließen wir kategorisch aus.

Könnte Berlin mit einem rot-gelben Bündnis zum Probelauf für die Bundestagswahl 2002 werden?

Rexrodt: Bestimmt verstehen Sie, daß mir diese Frage zu hypothetisch ist.

Sollte die Angst vor der PDS doch mehr Wähler für die CDU mobilisieren, als ihr infolge der Erschütterung durch die Krise verlorengehen, wäre dann auch die Union für Sie ein akzeptabler Koalitionspartner?

Rexrodt: Bitte akzeptieren Sie, ich habe zum Thema "Koalitionen" vorerst alles gesagt.

Hat sich für Ihre Begriffe die CDU völlig desavouiert?

Rexrodt: Wenn die CDU nicht in der Lage ist, attraktive Persönlichkeiten zu finden, die die Partei in die Neuwahlen führen, wird sie es sehr schwer haben.

Haben Sie keine Angst angesichts einer wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin, mit Aktionen wie dem gemeinsamen Auftritt mit Gregor Gysi auf dem Alexanderplatz jene Wähler zu verschrecken, die der FDP jetzt vielleicht von der CDU zufließen?

Rexrodt: Wenn wir auf ein politisches Ziel nur deshalb verzichteten, weil es auch von der PDS verfolgt wird, überließe man ja der PDS die Wortführerschaft in dieser Sache und gäbe ihr das Heft des Handelns in die Hand. Die ganze Stadt hätte doch gerufen: Wo ist denn die FDP? Gerade weil wir hier derzeit parlamentarisch nicht präsent sind, müssen wir doch politisch und bei den Bürgern Flagge zeigen. – Immerhin waren wir diejenigen, die das Volksbegehren angestoßen haben. Die anderen haben sich daran angehängt.

Aber sogar aus den eigenen Reihen kam Kritik an Ihnen wegen eines "Schmusekurses" gegenüber der PDS.

Rexrodt: Es gibt keinen Kurs in Richtung PDS, und deshalb bin ich auch nicht unter Kritik geraten.

Kommt es in Berlin zu einer Beteiligung der PDS?

Rexrodt: Es wäre die erste Regierungsbeteiligung der PDS in einem westlichen Bundesland. Das hat natürlich Signalwirkung!

Welche Konsequenzen hätte das für Berlin?

Rexrodt: Ich wünsche mir, und das sage ich ganz deutlich, daß die PDS, was politische Verantwortung angeht, in dieser Stadt keine Rolle spielen darf. Eine Regierung mit PDS-Beteiligung wäre das falsche Signal für Berlin. Deshalb ist die PDS unser politischer Gegner, denn sie repräsentiert ein System, das die Stadt gespalten, die Menschen kujoniert und das Land zugrunde gerichtet hat.

Muß man die etablierten Parteien nicht ermahnen, gegen die PDS zusammenzustehen?

Rexrodt: Die Verlautbarungen zweier stellvertretender Vorsitzender der PDS vergangene Woche sind in der Tat hanebüchen: Der eine erklärt und entschuldigt den Bau der Mauer – mit historisch schiefen Aussagen und unter Vernachlässigung des Leides und der Verbrechen, die mit der Mauer verbunden waren. Und der andere entwirft öffentlich ein Gesellschaftsbild, das nicht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht. Da kommt ein Stück Wahrheit über die PDS zutage.

Außer der PDS könnte auch die eigene Schwäche verhindern, daß die FDP an der neuen Regierung beteiligt sein wird. Werden die Berliner Freidemokraten nach zwei Legislaturperioden ohne parlamentarische Beteiligung denn überhaupt ohne weiteres die Fünf-Prozent-Hürde schaffen?

Rexrodt: Wir werden als eine starke FDP aus den Neuwahlen hervorgehen. Unser Ziel ist es, im Abgeordnetenhaus nach den zehn Jahren, in denen die FDP nicht mehr vertreten war, eine Fraktion zu stellen, an der "nichts vorbeigeht"! Ich bin überzeugt, uns wird ein zweistelliges Ergebnis gelingen.

Achtzehn Prozent?

Rexrodt: Achtzehn ist eine gute Zahl ...

Bei der Wahl 1999 hat die Berliner FDP gerade mal 2,2 Prozent erzielt. Woher nehmen Sie die Zuversicht, derart zu erstarken?

Rexrodt: Die nehmen wir aus der großen Zustimmung für liberale Positionen, die wir in dieser Stadt spüren. Sie speist sich aus dem Wunsch vieler Bürger nach einem Neuanfang für Berlin. Und nicht zuletzt daraus, daß die meisten erkennen, daß eine starke FDP wohl der einzige Weg ist, ein Regierungsbündnis, in dem die PDS mit an die Macht gelangt, zu verhindern.

Die Freien Demokraten in Berlin gelten seit dem Wahldebakel 1999 – man rangierte hinter den Republikanern – als erneuert: Wie sieht diese erneurte Hauptstadt-FDP aus, die dann im September um die Gunst der bürgerlichen Wähler werben wird?

Rexrodt: Es ist eine wirklich liberale Partei, mit einer guten Mischung aus erfahrenen Politikern und jungen, unverbrauchten Kräften.

Welchen Kurs wird diese FDP steuern?

Rexrodt: Die Schwerpunkte unserer Inhalte haben wir klar definiert: Erstens eine neue Bildungspolitik, die auf mehr Leistung und Wettbewerb hinzielt. Zweitens eine Verkehrspolitik, die mit der Schikane der Autofahrer Schluß macht. Drittens eine Kulturpolitik, die der großen Vielfalt und der hohen Qualität, die Berlin diesbezüglich zu bieten hat, endlich gerecht wird. Und, last but not least, eine attraktive Verwaltung, die dafür sorgt, daß sowohl Wirtschaftsansiedlungen wie auch Wirtschaftsgründungen das richtige Klima in der Stadt finden.

Die Stadt steckt in einer schweren Finanzkrise, wird diese nicht im September das Hauptwahlkampfthema sein?

Rexrodt: Es gibt kurzfristige und langfristige Maßnahmen, um damit fertigzuwerden. Kurzfristig ist ein konsequenter Personalabbau im öffentlichen Bereich notwendig, ebenso wie die Veräußerung landeseigener Unternehmen ...

… wie der "Bankgesellschaft Berlin"?

Rexrodt: Nicht nur der "Bankgesellschaft Berlin", sondern zum Beispiel auch Wohnungsbaugesellschaften und Krankenhäuser.

Die nächste Regierung wird also "sozial sehr grausam" sein müssen?

Rexrodt: Nein, es geht darum, die richtige Balance zu finden zwischen Sparen und Gestalten.

Jeder Politiker weiß, daß eklatante Einschnitte nötig sind, um die Finanzkrise zu bewältigen. Doch die Angst vor unpopulären Maßnahmen – wie sie auch aus Ihrer Antwort eben zu klingen scheint – läßt alle immer wieder versprechen, daß es so schlimm doch nicht werden wird. Wie wollen Sie denn dann die "eklatanten Einschnitte" schaffen?

Rexrodt: Wenn man den Neuanfang für diese Stadt will, dann müssen die Lösungsvorschläge natürlich auch einschneidend sein. Es kommt aber vor allem darauf an, diese dann auch wirklich umzusetzen! – Und zwar, ohne dabei nach rechts oder nach links zu sehen.

Welches sind die langfristigen Maßnahmen, die Sie vorhin ansprachen?

Rexrodt: Da muß es vor allem zu einer Stärkung der Steuerkraft Berlins kommen. Erreicht werden kann dies durch eine attraktive Gestaltung der Stadt. – Sie sehen, da greifen dann kurzfristige und langfristige Maßnahmen ineinander.

In der Diskussion für das Amt der Spitzenkandidaten der Parteien sind auch Leute , die direkt aus der Wirtschaft kommen, wie der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel.

Rexrodt: Mit einer solchen Rekrutierung können unter bestimmten Umständen durchaus wichtige Effekte erzielt werden: nämlich neue Ideen und neue Ressourcen für Parteien zu erschließen. Aber bei aller Befürwortung von Durchlässigkeit der Politik für die Wirtschaft, der Regelfall kann das nicht sein.

In der Berliner FDP tobte in den vergangenen Jahren immer wieder der Grabenkrieg zwischen dem linken und dem nationalliberalen Flügel. Wird es im Zuge des Aufwindes für die Landespartei erneut zu einem Kampf um die Vorherrschaft kommen?

Rexrodt: Nein, die Parteifreunde, die eine Mehrheit in der Partei für einen nationalliberalen Kurs gesucht haben, sind in ihrem Einfluß deutlich zurückgedrängt worden.

Welche Rolle spielt der nationalliberale Flügel noch?

Rexrodt: Da gibt es nur wenige Leute. Die machen zwar viel Wind, aber es sind nur die üblichen Begleiterscheinungen. Das sind Gruppierungen, die es in allen Lagern und Parteien gibt. Damit muß und kann man leben.

Die Nationalliberalen werfen der Berliner Parteiführung die "Abschaffung des innerparteilichen Demokratieprinzips" vor.

Rexrodt: Das ist kafkaesk.

Wie lange wird die FDP das Volksbegehren noch fortsetzen?

Rexrodt: So lange, bis es eine klare Aussage der CDU gibt, daß sie den Weg zu Neuwahlen durch zeitnahe Auflösung des Abgeordnetenhauses frei macht.

Die FDP sieht sich gerne als die Partei der Bürgerbeteiligung. Doch das Instrument des Volksbegehrens setzen Sie nun lediglich ein, um in das Abgeordnetenhaus zurückzukehren. Mit Bürgerbeteiligung hat das nichts zu tun. Wäre es angesichts Ihrer Bekenntnisse zu einem Neuanfang für Berlin nicht Pflicht der FDP, sich für mehr direkte politische Beteiligung einzusetzen?

Rexrodt: Sicherlich gibt es Situationen, in denen direkte Demokratie notwendig ist. Allerdings bin ich ein unbedingter Anhänger der repräsentativen Demokratie! Wer die repräsentative Demokratie gefährdet, spielt mit der Stabilität unserer Gesellschaft. Daran Hand zu legen, allein aus tagesaktuellen Erwägungen heraus, finde ich gefährlich.

Eine Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters würde zweifellos vielen Bürgern wieder das Gefühl geben, das Geschehen in ihrer Stadt wirklich beeinflussen zu können.

Rexrodt: Die Frage nach der Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters setzt eine Verfassungsänderung voraus. Dazu sind die großen Parteien natürlich nicht bereit, da sie dann ihren de facto bestehenden Monopol-Anspruch auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters preisgeben würden.

Bürgermeister Eberhard Diepgen ist sicher vorzuwerfen, falsch auf die Krise reagiert zu haben, doch hat man ihn nicht zu Unrecht – durch diffusen Filz-Vorwurf – als Schuldigen gebrandmarkt?

Rexrodt: Persönlich ist Eberhard Diepgen wohl nichts vorzuwerfen! Doch politisch trägt er nun einmal die Verantwortung. Zudem hat er sich in den letzten Wochen über alle Maßen unklug verhalten, weil er eigentlich einen Weg hätte gehen müssen – mit der SPD –, das Mandat der Koalition in ehrenhafter Weise an den Wähler zurückzugeben. So ist Diepgen in den Geruch gekommen, an seinem Stuhl zu kleben.

 

Dr. Günter Rexrodt Bundeswirtschaftsminister a.D. und Landeschef der FDP in Berlin. Geboren 1941 in Berlin, studierte er Betriebswirtschaft an der Freien Universität Berlin. 1980 trat er in die FDP ein, seit 1990 ist er Mitglied des Bundesvorstandes. Von 1994 bis 1995 war er Berliner Landesvorsitzender. Im April 2000 wurde er erneut in das Amt gewählt. Von 1985 bis 1989 wachte er als Senator für Finanzen über den Haushalt der Stadt, und von 1993 bis 1998 war er Bundeswirtschaftsminister. Er ist Mitglied in insgesamt sieben Aufsichtsräten, zwei Beiräten und im Vorstand der WMP Eurocom AG sowie im Kuratorium der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft".

 

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