© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Blick in die Medien
Kurvenreich
Ronald Gläser

Berlin ist die Metropole der Superlative. Hier sind die meisten Brücken, die meisten Flugplätze, die größte Love Parade. Die Stadt hatte auch mal die sicherste Mauer aller Zeiten. Zu Berlin gehören auch das größte Haushaltsloch und der größte PDS-Wähleranteil. Kein Wunder, daß in der Hauptstadt auch die meisten Werbeagenturen ihren Sitz haben. Die Gelben Seiten weisen 616 solcher Unternehmen aus, die sich mit Werbung und Verkaufsförderung befassen. Sie alle ringen um die Aufmerksamkeit der rund fünf Millionen Konsumenten im Großraum Berlin. Dabei werden gerne physische Begierden in Form von leichtbekleideten Damen instrumentalisiert. Mit anderen Worten: Je mehr Haut, desto besser! So wirbt zum Beispiel der Lausitzring, eine Brandenburger Motorrennstrecke, mit einer (fast) nackten, blonden Schönheit und doppeldeutigen Sprüchen wie "Kurvenreich" oder "100 % Streckeneinsicht". Eine andere Werbeaktion ging aber gründlich in die Hose: Im ganzen Stadtgebiet wurden für die Erotik-Messe, wo Sado/Maso-Accessoires und dergleichen verkauft werden, Tafeln aufgestellt. Sie zeigten eine in (wenig) Lack gekleidete Dame. Einige empörte Berliner reagierten ihren Frust darüber mit selbstgedruckten Überklebern und ein wenig Kleister ab. Forderungen wie "Christen, sammelt Euch zum Widerstand!" und "Schluß mit der Pornographie-Droge" zierten eines Morgens stadtweit den Unterleib der Domina. Kleiner Aufwand, große Wirkung. Selbst in Berlin ist das möglich.


 
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