© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Frisch gepresst

Otto Schily. Eine ungewöhnliche und zugleich exemplarische politische Karriere stellt die Lebensgeschichte Otto Schilys dar. Aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, 1967 zum SDS gestoßen, avanciert der junge Rechtsanwalt zur juristischen Galionsfigur der linken Bewegung. "Der Mann ist großartig, schade, daß er auf der anderen Seite steht", bemerkte der Zeuge Axel Springer nach einem Gerichtsverfahren. In den RAF-Prozessen verstieg Schily sich jedoch in politischer Radikalität, indem er auch den Schritt über das juristisch Legitimierte riskierte. In den folgenden Jahren begleitet Schily die Gründungsphase der Grünen. Als einer ihrer ersten Mandatsträger im Bundestag prägt er die Parteilinie entscheidend mit. Früh bahnt Schily rot-grüne Allianzen an, tritt selbst 1989 zur SPD über. Als Innenminister der Regierung Schröder bricht er als eines der eigenwilligsten Kabinettsmitglieder zur politischen Mitte auf. Reinhold Michels, Korrespondent für die Bonner Innenpolitik der Rheinischen Post aus Düsseldorf, portraitiert in kurzweiliger Form die Karriere eines ’68ers. ("Otto Schily. Eine Biographie", DVA, Stuttgart/München 2001, 250 Seiten, Abb., 39,80 Mark)

Antje Radcke. Was tun ehemalige Spitzenpolitiker, nachdem sie nicht mehr in Amt und Würden sind? Genau, sie schreiben Bücher, um sich noch einmal ins Gespräch zu bringen. So hat es auch die frühere Vorstandssprecherin der Grünen, Antje Radcke, versucht, die von Dezember 1998 bis zum Juni 2000 neben der Realo-Vertreterin Gunda Röstel den fundamentalistischen Flügel der Partei repräsentierte. Im Mittelpunkt ihres Rückblicks ("Das Ideal und die Macht. Das Dilemma der Grünen", Henschel Verlag, Berlin 2001, 270 Seiten, 39,90 Mark). stehen die Auseinandersetzungen bei den Grünen um den Atomausstieg und die Zustimmung zum Kosovo-Krieg. Von einer "scharfen Analyse" der Glaubwürdigkeitskrise der Grünen ist Antje Radcke jedoch weit entfernt. Ihre Kritik an innerparteilichen Männerbünden und Kungelrunden hat man zum Beispiel bei Jutta Ditfurth schon pointierter gelesen (JF 13/01). Dafür gibt sie einen tiefen Einblick in ihre verletzte Seele. Gleich zweimal zitiert sie Kanzler Schröder, der am Tag ihrer Wahl auf eine Kritik Radckes an seinen europapolitischen Positionen mit den Worten reagierte: "Antje Radcke? Wer ist Antje Radcke?"


 
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