© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Die Agrarwende als Medienspektakel
Landwirtschaft: Günther Nenning als "Agrarpublizist" / Rahmenbedingungen statt Manifeste
Gerhard Poschacher

Kein österreichischer Agrarpolitiker, der etwas auf sich hält, versäumte es, das hochgglänzende und farbige, am 6. Mai 2001 von Hans Dichand, Gerhard Heilingbrunner und Günther Nenning publizierte Bauernmanifest der Wiener Neuen Kronen Zeitung zu unterstützen. Nach dem etwas überraschenden Abgang des von den politisch links orientierten Medien stets kritisierten Starkolumnisten "Staberl" alias Richard Nimmerrichter sorgte Österreichs größte Tageszeitung mit ihrem Liebesbekenntnis zur bäuerlichen Landwirtschaft "Gesundes Essen kommt vom Bauern" für ein Medienspektakel sondergleichen und ließ in den vergangenen Wochen die Staberlkolumne vergessen.

Eigentlich müßte sich der ÖVP-Bauernbund, der in den siebziger Jahren mit seinem Programm für den ländlichen Raum und der politischen Strategie, Agrarpolitik allen Bürgern näherzubringen, ein wenig wundern, wie mit wenigen, aber verständlichen Worten zur Unterstützung eines bedrängten Berufsstandes Sympathien und mediales Aufsehen zu gewinnen sind. Jedenfalls ist das "Bauernmanifest" ein konstruktiverer Beitrag zum Schulterschluß der Landwirtschaft mit den verunsicherten Verbrauchern als der "Jungbauernkalender", obwohl dieser es wenigstens schaffte, ohne die übliche Jammerstrategie in die Zeitung zu kommen.

Günther Nenning, der einzige Starschreiber, der die neue politische Situation in Österreich fair kommentiert, obwohl sein politisches Herz links und grün schlägt, entpuppt sich immer mehr als origineller "Agrarpublizist". Schon 1994 sprach er sich in einer Podiumsdiskussion mit dem damaligen Landwirtschaftsminister Franz Fischler "Sind die Bauern noch zu retten" für eine ökologische Kurskorrektur in der Agrarpolitik aus. Mit seinem Appell "Verdorft die Stadt, sie braucht es" und seinem Krone-Kommentar vom 21. Mai 2001 "Bauernstolz" hat sich der 80jährige Vielschreiber und Langsamredner endgültig in die Herzen der bäuerlichen Familien geschrieben. Die Käfigdenker in den agrarischen Institutionen sollten über ihren Schatten springen und ihn auszeichnen. Den Konrad-Lorenz-Preis für sein Umweltengagement hat er schon.

Das Krone-"Ba uernmanifest" hat den inhaltlich wesentlich substantielleren Appell des Katholischen Laienrates "Wir dürfen nicht schweigen" aus den Medien fast verdrängt und auch Josef Rieglers innovatives Konzept für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft publizistisch überlagert. In seinem neuen Buch "Ökosoziale Marktwirtschaft – Strategie zum überleben der Menschheit", herausgegeben vom Ökosozialen Forum, betont er, daß eine nachhaltige Landwirtschaft nur in einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft Bestand hat. Viele plädieren dafür, doch die Umsetzung fehlt. Es nützen letztlich weder Appelle noch Manifeste, sondern nur entsprechende politische Rahmenbedingungen: Honorierung definierter ökologischer Leistungen, kürzere Verwaltungswege, engere Kooperation zwischen Bauern und Verbraucher, weniger Globalisierung und mehr Regionalisierung. Eine ökosoziale Marktwirtschaft, die den Nahmen verdient, wird allerdings teurer sein als die auf Massenproduktion, billige Preise und hohe Produktivität ausgerichteten Unternehmensstrategien in den Industriestaaten.

 

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gerhard Poschacher ist Abteilungsleiter im österreichischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Wien.


 
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