© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
BLICK NACH OSTEN
Ljubljana statt Wien
Carl Gustaf Ströhm

Noch unlängst spotteten böse Zungen, der neue US-Präsi-dent verwechsele Slowenien mit der Slowakei. Jetzt wird George W. Bush am 16. Juni mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sloweniens Hauptstadt Laibach zu seinem ersten "Ost-West-Gipfel" zusammentreffen. Es ist keineswegs anzunehmen, daß der Pilot der Air Force One versehentlich zur Landung im slowakischen Preßburg ansetzt.

Daß die Wahl der beiden auf das gemütliche Laibach und nicht wie früher auf Wien fiel, hat die Österreicher tief gekränkt. Die Motive, Wien beiseite zu schieben und dem kleinen Slowenien den Vorzug zu geben, sind bei Putin und Bush jeweils unterschiedlich, führten aber zum gleichen Ergebnis. Für den "Großrussen" Putin ist Slowenien mit seinen etwa zwei Millionen Einwohnern die westlichste slawische Nation. Auch wenn Rußland im Augenblick nicht in der Lage sein dürfte, aus dieser slawischen Bruderschaft Kapital zu schlagen, läßt sich Putin für die Zukunft alle Optionen offen. Für die USA wiederum ist Slowenien als der – neben Estland – kleinste Nato-Aspirant von eminenter Bedeutung.

Das 20.255 Quadratkilometer kleine Land bildet eine strategische Brücke zwischen der Nato-Südflanke in Oberitalien und dem durch die österreichische Neutralität in der Luft hängenden Nato-Neumitglied Ungarn. Da Kroatien in absehbarer Zeit kaum damit rechnen kann, in die Nato oder EU aufgenommen zu werden, gelangen die Slowenen zu einer Schlüsselstellung als Nachschubbrücke in Richtung Budapest. Schon im Ersten Weltkrieg wurden um den Besitz der "Laibacher Pforte" die blutigen Isonzoschlachten zwischen Italienern und Österreichern ausgekämpft. Südlich der slowenischen Grenze, die in Zukunft sowohl Schengen- als auch Nato-Grenze sein wird, beginnt demnach die nicht definierte "manichäische" Zone, die sich von Kroatien bis in den tiefsten Balkan erstreckt. So erfreulich diese Perspektive für die Slowenen ist – so problematisch ist sie für Kroatien, das somit an den Rand Europas gedrängt wird.

Kurz nach dem Laibacher Gipfel, der für Slowenien eine ungeahnte internationale Aufwertung bringt, steht am 25. Juni der zehnte Jahrestag der Proklamation der slowenischen Unabhängigkeit bevor. 1991 antwortete Belgrad auf diesen "Separatismus" mit Panzer- und Luftangriffen. Wie vermint das Gelände der Erinnerung heute noch ist, mußte der sonst stets unbekümmert agierende Gerhard Schröder erfahren. Ursprünglich sollte der Kanzler gemeinsam mit Sloweniens Präsident (und letztem KP-Chef) Milan Kucan als Festredner auf der Jubiläumsversammlung auftreten. Da aber protestierten sowohl rechtsnationale Kreise als auch die Linken.

Die "Rechten" erinnerten daran, daß die SPD damals alles getan hätte, um die slowenische Unabhängigkeit zu hintertreiben. Bis zuletzt weigerte sich die SPD, mit den neugegründeten slowenischen Sozialdemokraten irgendwelche Kontakte aufzunehmen. Statt dessen pflegten sie ihre Beziehungen mit den jugoslawischen Kommunisten in Belgrad. "Wie kommt der Chef einer solchen Partei dazu", fragen viele Slowenen, "uns am Unabhängigkeitstag eine Rede zu halten?" Die alten Partisanen und Kommunisten wiederum erinnern an die deutsche Besatzung und wollen deswegen keinen deutschen Redner. Der slowenische Nationalist Zmago Jelinic forderte gar die Laibacher Parlamentarier auf, "zu Ehren" Schröders die erste Strophe Deutschland-Liedes zu lernen. Als Kompromiß wird erwogen, Schröder außerhalb der Gedenkfeier im Parlament reden zu lassen.


 
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