© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Das betrogene Land
Das DDR-Treuhandgesetz verhinderte einen selbsttragenden Aufschwung
Heiko Peters

Ausgerechnet am 17. Juni 1990 verabschiedete die frei gewählte letzte DDR-Volkskammer mit den Stimmen von CDU und FDP das folgenreiche "Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)".

Das im Staatsbesitz befindliche Vermögen des ehemaligen Bürgertums der neuen Bundesländer wurde den rechtmäßigen Eigentümern trotz entgegenstehenden Völkerrechtes (Art. 46, Abs. 2 Haager Landkriegsordnung in Verbindung mit Art. 25 Grundgesetz) nicht zurückgegeben, weil die Regierung Kohl mit ihrer erfundenen Behauptung von der Bedingung der Sowjetunion und der DDR (Wiedervereinigung nur bei Nichtrückgabe des konfiszierten Vermögens) vor einem erstaunlich gutgläubigen Verfassungsgericht obsiegte, obwohl bereits damals deutliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Kondition laut wurden. Die Zweifel haben sich zwischenzeitlich zur Gewißheit verdichtet, daß es die feste Absicht der Regierung Kohl war, Parlament und Gerichte zu täuschen, um mit den Erlösen aus der geplanten Veräußerung fremden Eigentums die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zu begleichen. Vor der Bundestagswahl 1990 scheute sich die Regierung, unter Umständen notwendige Steuererhöhungen durchzusetzen.

Obwohl die USA mit der von US-Senat und Repräsentantenhaus verabschiedeten Resolution 562 von allen vom kommunistischen Joch befreiten Staaten verlangten, wo dieses praktisch möglich war, das gestohlene Eigentum aus Staatsbesitz an die Privateigentümer zu restituieren, ist dieses bis heute zum größten Teil unterblieben. Der deutsche Staat insbesondere weigert sich vehement, die rechtswidrig erlangte Beute herauszurücken. Er schädigt damit insbesondere den ehemaligen Mittelstand als rechtmäßigen Eigentümer, betreibt gerichtlich festgestellte Hehlerei und verschwendet damit Unsummen von Steuergeldern aus falschen ideologischen Gründen. Die Folgen sind vielfältig: Das Rechtsbewußtsein der DDR-Bevölkerung, das sich in Eigentumsfragen durchaus im Sinne der zehn Gebote erhalten hatte (Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Haus), wurde im Fundament geschädigt. Die Juristen, die bis heute an Verwaltungs- und Bundesgerichten das Unrecht festigen, obwohl sie die zugrunde liegende Unwahrhaftigkeit und Ungerechtigkeit genau kennen, verbiegen mit der Anwendung der Paragraphen 1/8 A Vermögensgesetz sowie Artikel 143 Abs. III Grundgesetz das Recht, das diese wesensfremden, dem Unrecht dienenden Paragraphen genauso abstößt, wie eine fremde Zelle nach einer Implantation von einem gesunden Organismus abgestoßen wird.

Politisch haben die bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP am meisten unter der mißratenen Lage zu leiden. Es gibt laut Statistik der damit befaßten Behörden (Barov) über 2,1 Millionen Restitutionsbegehren, denen in lediglich 400.000 Fällen stattgegeben wurde – aber eben in ca. 1,75 Millionen Fällen nicht! Ein erheblicher Teil des Aderlasses der bürgerlichen Parteien bei den letzten Wahlen dürfte mit deren Unfähigkeit zu erklären sein, sich nicht nur von diesem Unrecht zu distanzieren, sondern auch auf schnellstmögliche Korrektur zu drängen. Die wirtschaftlichen Folgen für die neuen Bundesländer einerseits, für die Steuer-Begehrlichkeit des gesamten Landes andererseits sind immens. Da der ehemalige Mittelstand flächendeckend an der Rückkehr gehindert wurde und gleichzeitig die ehemaligen Repressoren wieder zu Amt und Würde gelangten, bestehen die Ideen der Planwirtschaft latent weiter, und die soziale Marktwirtschaft konnte ihre Segnungen nur in stark eingeschränktem Rahmen erfüllen. Es ist sicher nicht übertrieben, auf dieses Konto mindestens eine halbe Million fehlende Arbeitsplätze zu buchen. 500.000 fehlende Arbeitsplätze verursachen Soziallasten von etwa 17,5 Milliarden Mark – wohlgemerkt pro Jahr! Dabei sind die menschlichen Frustrationen und Entbehrungen nicht bezifferbar, die sich hinter diesen Zahlen verbergen.

Wären die Immobilien zurückgegeben worden, hätten die Eigentümer mit Hilfe von Hypotheken die nötigen Reparaturen vornehmen können. Die Staatskasse wäre von den entsprechenden Kosten verschont geblieben. Der Wiederaufbau hätte den selbsttragenden Aufschwung genauso in Gang gesetzt, wie zur Zeit des Wirtschaftswunders unter Ludwig Erhard. Statt dessen kann man heute, zehn Jahre nach der Wiedervereinigung, in Stralsund ebenso wie in Torgau, in Neubrandenburg oder in Perleberg in den Zentren der Klein- und Mittelstädte ganze Straßenzüge voller ruinierter Häuser beschauen, deren ungeklärte Eigentumsverhältnisse den wirtschaftlichen Aufschwung gravierend behindern.

Der in den letzten zehn Jahren durch diese Entwicklung eingetretene Schaden ist mit über 500 Milliarden Mark sicherlich nicht falsch beziffert. Wie lange wollen die westdeutschen Länder es sich noch gefallen lassen, für Fehlentscheidungen aus der Zeit der Wiedervereinigung zur Kasse gebeten zu werden? Und wie lange will die Bevölkerung es sich noch gefallen lassen, Zukunftschancen und eigene Perspektiven durch staatliche Willkür und internationalem Recht diametral entgegenstehende Verordnungen zu entbehren?

 

Heiko Peters ist Kaufmann in Hamburg. Seit fünf Jahren kämpft er für die Opfer von Enteignungen in der SBZ zwischen 1945 und 1949.


 
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