© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
CD: Austro-Pop
Schlüpfrigkeiten
Holger Stürenburg

Georg Danzers letztes Album "Atemzüge" aus dem Spätsommer 1999 klang in vielen Zügen wie eine gesungene Fassung gutmenschlicher Heide-Schmidt-Reden. Nun hat deren "Liberales Forum" spätestens bei der letzten Wiener Landtagswahl am 25. März seine letzten "Atemzüge" getan und spielt in der österreichischen Politik gar keine Rolle mehr. Ergo war es an der Zeit für Georg Danzer, sich endlich genau auf das zu besinnen, was er nun mal am besten kann: Auf das Schreiben und Intonieren bösartiger, politisch unkorrekter, schlüpfriger Lieder und Chansons. Denn mit zynischen Balladen der Sorte "Sex-Appeal", "War das etwa Haschisch?" oder "Oh, Kondome" konnte Danzer in den letzten dreißig Jahren am positivsten auf sich aufmerksam machen, am meisten Freunde gewinnen – in Deutschland wie in Österreich.

"Eigentlich bin ich ein Schwein!" bekennt der knapp 55jährige "Wiener Rebell" auf seinem aktuellen Album "13 schmutzige Lieder", das bei BMG-Ariola veröffentlicht wurde. Mit seiner unnachahmlichen schmierigen Stimme arbeitet sich Danzer durch die Untiefen der menschlichen Seele. Ein Art Soundtrack zum eben erschienenen "Lexikon der sexuellen Abarten"; doch immer aus einer gewissen selbstironischen Distanz heraus, mit einem deutlichen intellektuellen Abstand vorgetragen, den ein Liedermacher dringend benötigt, wenn er sich solcher Themen annimmt. Musikalisch so vielfältig und aggressiv wie lange nicht mehr, präsentiert Danzer den "Prostata Swing", den "Imaginären Vibrator-Walzer vom 22. Juli 1998" oder den witzigen "Strandbrunzer-Tango". Bissig, aber selten vulgär schlüpft Danzer in die Rolle des Prostatakranken ("Statt zu wachsen, bleibt er kla / Wegen dera Prostata"), trifft die "Gnädige Frau in Malaga", die sich zu später Stunde in Wirklichkeit als Mann herausstellt: "Ich sprech’ jetzt pro domo / Ich bin halt kein Homo" weist er die sich anbahnende Sympathie des zweigeschlechtlichen Wesens zurück. Der Hofrat Dr. Müller "begibt sich zu seinem Dienstwagen / und er tut sich mühsam durch das Chaos Wiens plagen". Denn: "Er besucht heut nicht seine Omi, na – Er fährt zur Domina!". Zu den Akkorden des "Flohwalzers" beschreibt Danzer des Hofrates Dr. Müller geheime Freuden an "Sado Maso".

Georg Danzer greift bei seinen Kompositionen tief in den Fundus der Unterhaltungsmusik der letzten 100 Jahre: Es gibt New Orleans-Jazz, Pianoswing, Rock’n’Roll, Walzer, Tango, Country, funkige Balladen, Samba, sogar derzeit angesagte Latinoversuche – aber immer parodistisch und penibel passend zur jeweiligen bösen Lyrik. Eingespielt mit einer munter agierenden Band um den Austria-3-Gitarristen Ulli Bäer liefert Georg Danzer mit "13 schmutzige Lieder" sein bestes Album seit nahezu 15 Jahren ab. Seit "Liebes Leben" (1987) gab es keinen vielfältigeren, ausgeschlafeneren Georg Danzer mehr. Und vor allem verzichtete Danzer seit Ende der achtziger Jahre eben auf seine politisch unkorrekten Verse zu interessanten musikalischen Spielereien.

Natürlich wird keines der "13 schmutzigen Lieder" jemals im Radio gespielt werden; auch wird die hervorragende CD schnurstracks an den Hitparaden vorbeischießen. Auch einen Skandal wird Danzer damit nicht verursachen. Zwar verkaufen sich heutzutage schmutzige Lieder von Eminem oder J.B.O. sehr gut – was aber Danzers dreizehn solche auszeichnet bzw. von denen deutlich abhebt, ist eben sein spezieller ironischer Abstand beim Vortragen dieser Lieder. Danzer hat nicht "schmutzige Lieder" auf Teufel komm’ raus geschrieben – und schon gar nicht, um einen Skandal zu verursachen oder gewollt auf den Radioindex zu kommen. Seine "13 schmutzigen Lieder" machen zwar ihrem Namen alle Ehre – sind aber einfach zu gekonnt, zu witzig, zu satirisch, um gewollt mißverstanden zu werden.


 
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