© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001

 
Ungeschick plus Feigheit
von Richard Stoltz

Die Reaktion der österreichischen Zeitungen und noch mehr die persönlichen Gespräche, die man in diesen Tagen mit österreichischen Freunden führt, zeigen, was für einen ungeheuren Schaden der Kurzbesuch des Berliner Kanzlers in Wien angerichtet hat. Das Protokoll dieser Visite, die rotzigen Verlautbarungen der deutschen Seite und die medialen Begleitumstände haben die österreichische Seele im tiefsten verletzt und den traditionellen Anti-Piefke-Affekt auf Jahre hinaus mit neuer Nahrung versorgt. Es ist eine Katastrophe.

Man fragt sich, welcher miese Teufel Schröder geritten haben mag. Die EU-Sanktionen gegen Österreich haben sich doch als gravierender politischer Fehler herausgestellt, Wiedergutmachung für die ungerecht geschlagenen Wunden wäre angezeigt gewesen, diplomatische Glättung. Genau das Gegenteil ist passiert. War das nun diplomatisches Ungeschick, echt piefkemäßige Wurstigkeit, läppisch herausgekehrte Großmannsucht? Oder stand ein scharfes politisches Kalkül dahinter, der Wille, die Verhältnisse absichtlich vergiftet zu halten, an Österreich das Exempel zu statuieren, das man gegenüber Italien zu statuieren zu feige ist?

Das eine wäre so schlimm wie das andere. Aber wahrscheinlich muß man vom schlimmstmöglichen Fall ausgehen, nämlich daß beide Motive in gleicher Weise wirksam waren, Ungeschick plus Feigheit, Großmannssucht plus absichtliche Giftmischerei. Wer erlöst uns endlich von dieser üblen Berliner Spezialmischung?


 
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