© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Spitzenleistung
Karl Heinzen

Der Durchmarsch des SC Freiburg an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga konnte nur durch die rechtzeitige Beendigung der Saison gestoppt werden. Ganze acht Punkte waren es, die ihm nach dem 34. Spieltag am Gewinn des Titels noch fehlten. Sie schützten die Öffentlichkeit vor einer nachhaltigen Ver-unsicherung. Volker Finke mit der Meisterschale in den Händen: Das ist ein Bild, das die Menschen nie sehen wollen, weil es ihnen den Glauben an die Ehrlichkeit im Sport raubte. Wer Fußball nicht ernst nimmt, indem er den Eindruck erweckt, das Lebensglück entscheide sich nicht über den Ausgang einer Partie oder gar einer Saison, der darf zwar mitmachen, weil man ja auch hier Verlierer immer gut gebrauchen kann. Er darf mit seiner provozierenden Freizeitspaßgesinnung aber nicht zu weit kommen. Schon der sechste Tabellenplatz des SC Freiburg ist eindeutig zu hoch und sollte im nächsten Jahr eigentlich durch einen beherzten, aber erfolglosen Abstiegskampf gesühnt werden. Vorerst aber muß als Strafe genügen, daß sich der Verein die Nische, in der Intellektuelle mit Sinn für Bodenständigkeit und Freude am heiteren Spiel angesprochen werden, nun wenigstens mit den Verzweiflungstätern des FC St. Pauli teilen muß, den es mal wieder für eine Spielzeit in die Erstklassigkeit verschlagen hat. Wer von beiden im Feuilleton das Rennen machen wird, ist eine der offenen Fragen, die das Fußballgeschehen so spannend gestalten.

Von der Frage, wer die Meisterschale am Schluß tatsächlich in die Kameras halten darf, kann man dies leider nicht behaupten. Es ist nämlich grundsätzlich jemand, der in Rot-Weiß gekleidet ist und von sich und seinen Mittätern behaupten darf: Glück und Erfolg kann man im Fußball wie auch sonst im Leben nicht kaufen. Aber man kann wenigstens jene Akteure kaufen, mit denen man dann immer Glück und Erfolg hat. Dabei darf man sich vom dritten Meisterschaftsgewinn der Bayern in Folge natürlich nicht blenden lassen, haben sie doch, wenn man die letzten drei Jahrzehnte insgesamt betrachtet, gerade einmal die Hälfte der Titel abgeräumt. Es gibt also immer einen gewissen Spielraum für Überraschungen, der auch sein muß, damit die Zuschauer überhaupt in die Stadien und an die Bildschirme gelockt werden können. Fast scheint es aber so, als ob es stets genau dieses Kalkül gewesen sei, wenn die Bayern doch einmal unter ihren Möglichkeiten blieben, und unterdessen reiften sie auch hier zu der Perfektion, die Entscheidung bis zum letzten Spieltag zu vertagen, um dann doch noch die Nase vorn zu behalten. Nach der dramaturgischen Spitzenleistung der abgelaufenen Saison wird es ihnen niemand verübeln, wenn sie in der kommenden einmal auf Nummer Sicher gehen wollen und keine Punktgeschenke an die Konkurrenz verteilen. Die Verantwortlichen in den anderen Vereine sollten diese Ruhe nutzen und in sich gehen: Vielleicht wäre es doch keine schlechte Idee, die Bayern in eine Europaliga wegzuloben.


 
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