© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001

 
PRO&CONTRA
Ist Schwarz-Grün machbar?
Dr. Wolfgang Ritter / Andreas Schneider

Die Frage, ob es machbar ist kann ich nicht beantworten. Aber es wäre erforderlich, denn die CDU braucht genauso dringend eine Veränderung wie die Grünen. Die CDU als konservative Partei hat für die Ökologie nicht die richtige Eintellung. Das zeigt sich ganz deutlich an einigen Beispielen. In der Landwirtschaftspolitik ist die Union ein Vertreter der intensiven Landwirtschaft mit den Folgen der Pestizidanwendung und der künstlichen Düngung, was bis hin zur BSE-Krise führte. Diese Krise könnte einem Wendepunkt in der Geschichte der Programmatik herbeiführen. Die Grünen haben dieses Problem aufgegriffen, und ich bin sehr froh, daß die Bundeslandwirtschaftministerin eine Grüne ist. Aber es hat nicht den Anschein, daß sie sich durchsetzen wird, da es auch in der SPD starre, unbewegliche Kräfte gibt, die an dem System der Intensiv-Landwirtschaft festhalten.

In dem Punkt wären die Grünen ein wichtiger Katalysator, im Falle einer schwarz-grünen Koalition innerhalb der CDU etwas zu verändern. Die besagte BSE-Krise, dieser Supergau der modernen Landwirtschaft, könnte der Anlaß für grundlegende Veränderungen sein. So hätten wir gesündere Lebensmittel und gesünderes Trinkwasser, bessere Lebensgrundlagen also. Die CDU macht bis zum heutigen Tag auf kommunaler Ebene Politik in eine andere Richtung. Diesen Problemen wird dadurch begegnet, das schlechte Trinkwasser zum Beispiel durch Fernwasseranschlüsse. Keine kausale Therapie, aber eine typische Denkweise der Partei, mit technischen Mitteln, nicht mit ökologischen Kreisläufen, einem Problem zu begegnen. Da ist der Vorzug der Grünen am deutlichsten zu erkennen: Sie haben in diesem Punkt den richtigen Denkansatz.

Auch eine Denkweise der CDU: "Wir lösen Probleme durch Wirtschaftswachstum." Das war in den Nachkriegsjahren der Schlüssel zu Erfolg. Aber jetzt kommen wir damit nicht mehr weiter, wir müssen Energie sparen und basal umdenken.

 

Dr. Wolfgang Ritter ist Arzt für Allgemein- und Umweltmedizin, seit 1979 CDU-Mitglied und Stadtrat in Wertheim.

 

 

Nun rächt es sich also, daß die Union in ihrer Geschichte sämtliche möglichen demokratischen Partner rechts der Mitte aufgesaugt oder zerrieben hat. Zu allem Überfluß emanzipiert sich auch noch die FDP und so steht die CDU nackt, ohne Koalitionspartner da. Verurteilt zu (utopischen) absoluten Mehrheiten – oder Schwarz-Grün.

Aber was wäre das für ein neuer Partner? Stimmenverluste bei mehr als einem Dutzend aufeinanderfolgender Wahlen, entfremdet vom eigenen Milieu, die Mitgliedschaft hoffnungslos überaltert. Eine Partei im Niedergang, der man nicht auch noch einen Ausweg aus ihrer "babylonischen Gefangenschaft" in den Fängen von Schröders "Neuer Mitte" konstruieren sollte.

Auch Gemeinsamkeiten sind kaum erkennbar. Selbst unter Ignorieren derjenigen Hälfte der Grünen, deren Herkunft in K-Gruppen, RAF-Sympathisantentum, SED-Fanclubs und anderen Linksextremismen liegt, muß man zugeben, daß die christdemokratischen und grünen Vorstellungen beispielsweise zur Vertriebenen- und Verteidigungspolitik, aber vor allem in der Frage von Homo-Ehe und Abtreibung um Welten auseinander liegen. Auch wenn beide Parteiführungen gerne auf einigen ideologischen "Ballast" verzichten würden, handelt es sich keineswegs um irgendwelche Detailfragen, die man wegverhandeln könnte, sondern gerade um die Fundamente im Weltbild der jeweiligen Stammwählerschaft. Daß die CDU in 25 Jahren Kohl diese christlichen und konservativen Fundamente vernachlässigt hat und auch dafür 1998 abgestraft wurde, bedeutet nicht, daß man sie nun gänzlich über Bord werfen könnte, nur um für die Grünen koalitionsfähig zu werden.

So muß man erkennen, daß die CDU mehr Wähler durch schwarz-grüne Experimente verlieren würde, als sie durch den Stimmenanteil ihres neuen Koalitionspartners ausgleichen könnte.

 

Andreas Schneider ist Mitglied im Bundesvorstand des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen