© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001


Größe gefordert
von Matthias Seegrün

Die seit Monaten eskalierende Gewalt im Nahen Osten hat mit dem Einsatz der israelischen Luftwaffe als Reaktion auf das Selbstmordattentat von Netanja einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Mittlerweile rechnen mehr als 60 Prozent der Israelis mit Krieg. Allerdings scheint in dieser Zahl eher der wachsende Leidensdruck der israelischen Gesellschaft angesichts der anhaltenden Terrorwelle im Zuge der neuen Intifada zum Ausdruck zu kommen als eine realistische Lageeinschätzung. Zwar sind Kurzschlußhandlungen nie auszuschließen, insgesamt dürfte die Bereitschaft der arabischen Nachbarstaaten, sich im Namen der palästinensischen Brüder auf einen weiteren Waffengang mit Israel einzulassen, jedoch eher gering sein. Israel muß sich also auf eine Fortsetzung des "kleinen Krieges" einstellen, den es militärisch nicht verlieren, aber noch weniger gewinnen kann.

Die unendliche Spirale aus Gewalt und Gegengewalt kann letztlich nur mit einem Akt der Größe von Israel durchbrochen werden. Indem es seinen schwersten Fehler – die Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens – revidiert und den Palästinensern gewährt, was es sich selbst in mehreren Kriegen gegen eine Welt von Feinden gesichert hat: das Recht auf eine Heimstätte für das eigene Volk. In diese Richtung gehende Verlautbarungen des israelischen Parlamentspräsidenten Burg und eine zunehmende Verzichtsbereitschaft unter den Israelis könnten zuversichtlich stimmen, wären nicht die Falken um Scharon, die diesen Bemühungen nach wie vor im Wege stehen.


 
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