© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
WIRTSCHAFT
Kündigungsvorsorge bei der Krankenkasse
Bernd-Thomas Ramb

In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Bundesgesundheits-ministerin die Wechselfreiheit der Krankenversicherungspflichtigen für dieses Jahr außer Kraft gesetzt. Wer zum nächsten Jahresersten die Krankenkasse wechseln wollte, mußte sich bislang bis 30. September entscheiden. Zu viele hatten in den vergangenen Jahren diese Gelegenheit zum Wechsel in eine beitragsgünstigere Versicherung genutzt. Das Nachsehen hatten die Kassen mit ungünstiger Mitgliederstruktur, alten und chronisch kranken Menschen. Deshalb eine Neuregelung der Wechselfreiheit vorzunehmen, ergibt durchaus Sinn. Schließlich ist eine auf Solidarität ausgerichtete Versicherung gegen Lebensrisiken etwas anderes als ein Mobilfunk-Vertrag.

Der scheinheiligen Erklärung von Ministerin Schmidt, man habe den Verbraucher vor "Wettbewerbsverzerrungen und Auszehrung der Kassen" schützen wollen, wird nicht nur sachlich von den Verbraucherschutzorganisationen heftigst widersprochen, sie geht auch am ethischen Moment des Solidargedankens vorbei. Nun ist die Ethik aber auch nicht gerade das Hauptfach der Sozialdemokratin. Bei ihr läuft aber auch die materialistische Idee des Einspareffekts ins Leere. Die Versicherten werden aufgrund dieser schlechten Erfahrung dazu übergehen, ihre Versicherung stets im prophylaktischen Kündigungsstatus zu halten. Nach geltendem Recht wird die Kündigung unwirksam, wenn dem Arbeitgeber nicht bis zum Jahresende eine neue Krankenversicherung nachgewiesen wird. Mit der Auswahl einer günstigeren Kasse hat der Versicherte somit lange Zeit. Immerhin wird mit der vorsorglichen Kündigung der Vorsorgegedanke wieder belebt, der im Gesundheitsbereich bereits als ausgestorben gilt, weil einem "Anspruch-auf-Krankheit-Denken" mit Vollversorgung gehuldigt wird.


 
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