© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
CDU-Chefin Merkel narkotisiert den CSU-Nachwuchs
Bayern: Die Landesversammlung der Jungen Union sieht in Edmund Stoiber den richtigen Kanzlerkandidaten / "Einwanderungsstopp" wurde diskutiert
Stephan Greiner

Zeit für neue Ideen – Die junge CSU". Unter diesem Motto fand in München am vergangenen Wochenende die Landesversammlung der Jungen Union Bayern statt. Bei den Wahlen zum Landesvorstand der Jungen Union Bayern gab es wenig Überraschungen. Der 34jährige gelernte Fernsehredakteur Markus Söder, der dem Jugendverband schon seit 1995 vorsitzt, wurde mit knapp 82 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seine Stellvertreter sind Guntram Dopfer (30), Martina Hammerl (29), Ulrike Schneider (34) und Thomas Fürst (29).

Die Rede der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, von der JU-Landesleitung vollmundig als "Event des Wochenendes" angekündigt, geriet zu einem mittleren Fiasko: Ihr leiernder Vortrag über "dramatische Veränderungen" der Welt – "aber die Menschen haben zu allen Zeiten gesagt, daß sich die Welt dramatisch verändert" (Merkel) – narkotisierte die Delegierten regelrecht. Erst nach zehn Minuten regte sich eine einzige Hand, um Beifall zu spenden. Der überaus blasse Auftritt der CDU-Vorsitzenden gab den Delegierten Rätsel auf. "Wie kann diese Frau nur die Partei führen?" wunderte sich ein JU-Funktionär. Zwar sollte die drängende Frage des Kanzlerkandidaten der Union nach dem Willen der Partei-Spitze nicht öffentlich diskutiert werden, zwischen den Zeilen klang sie jedoch immer wieder an. Münchens JU-Chef Joachim Haedke stichelte in Richtung Merkel, ein Kanzlerkandidat aus Bayern sei "das richtige Signal", und auch der JU-Landesvorsitzende Markus Söder ließ durchblicken, daß er Stoiber bevorzuge. Merkel reagierte ausweichend und erklärte, dem Thema müsse man sich "langsam und gezielt" nähern. Deutliche Differenzen zwischen dem bayerischen Parteinachwuchs und der CDU-Spitze waren in der Einwanderungsfrage zu spüren. Ein aus dem Plenum gefordertes Bekenntnis zu einem "Einwanderungsstopp" schmetterte Merkel mit dem Hinweis auf das entsprechende Positionspapier der Union ab.

Am zweiten Tag der Landesversammlung sprach der bayerische Innenminister Günther Beckstein. Er griff die "lasche Sicherheitspolitik" der SPD-geführten Länder hart an und sonnte sich im Lichte der Statistiken über eine niedrige Kriminalitätsbelastung in Bayern. Deutlich schärfere Töne als die CDU-Vorsitzende Merkel am Vorabend schlug Beckstein zum Thema Integration von Ausländern an. Er verlangte erneut eine Steuerung der Zuwanderung und wiederholte dabei seinen umstrittenen Ausspruch: "Wir brauchen mehr Menschen, die uns nützen, und weniger, die uns ausnützen." Bisher sei der überwiegende Teil der Ausländer in die deutschen Sozialsysteme gewandert und nicht auf den Arbeitsmarkt.

Beckstein unterstrich seine Forderung nach einem Verbot der NPD, die er als ein Sammelbecken politischer Straftäter bezeichnete. Gleichzeitig bekräftigte er den rechten Alleinvertretungsanspruch der CSU: "Die CSU ist eine Partei der Mitte, aber auch diejenigen, die einer demokratischen Rechten angehören, müssen sich bei uns aufgehoben fühlen."

Einige JU-Mitglieder, die Gratisexemplare der JUNGEN FREIHEIT und Anti-PC-Aufkleber verteilten, wurden wenig später durch den JU-Ordnerdienst vom Tagungsgelände verwiesen. Bei der Abwehr kritischer Presseerzeugnisse entwickelten die Ordner eine veritable DDR-Grenzer-Mentalität, sehr zum Erstaunen des Münchner JU-Vorsitzenden Headke, der die Anti- PC-Aufkleber "Klasse" fand und erklärte, die JUNGE FREIHEIT werde "in Kreisen der JU gerne gelesen".


 
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