© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Festkultur
Karl Heinzen

In den USA, so wird behauptet, ereilt Menschen die Nachricht, daß ihr bisheriges Unternehmen in Zukunft ohne ihre Mitwirkung auskommen möchte, in einem rosafarbenen Umschlag. Wie das in einer Nation mit so feinnervigem Sinn für Symbolik leicht vorkommen kann, wurde dieses Detail aus den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herangezogen, um einer neuen Form von Unterhaltung den Namen zu geben. "Pink-Slip-Parties" heißen seither jene Zusammenkünfte, auf denen sich Arbeitssuchende der IT-Branche die Zeit in der Hoffnung vertreiben, bei Bier und Cocktail-Getränken einem Headhunter in die Arme zu laufen. Wie nahezu alles in New York und anderswo in den Staaten haben sie unterdessen natürlich Kultstatus.

Nichts liegt also näher, als es auch in Deutschland mit Veranstaltungen dieser Art zu versuchen, selbst wenn die Slips, die deutsche Unternehmen verschicken, nicht pink sind und ihre Empfänger in den innovativen Berufen sich leider immer noch an sehr wenigen Händen abzählen lassen. Ganzen fünf von insgesamt 28 Mitarbeitern mußte zum Beispiel die Snacker AG, ein Online-Eßwarenlieferservice Lebewohl sagen. Bei einer Berliner Firma namens Yoolia AG, die "dynamische Personalisie- rungslösungen zur Optimierung der Kundenbeziehungen" anbietet, sollen es immerhin 58 von 70 Beschäftigten gewesen sein, die unter ihrer dienstlichen e-mail-Adresse nun nicht mehr zu erreichen sind. Festsäle lassen sich bei einem derart geringen Potential von Arbeitslosen jedenfalls nicht füllen, schon gar nicht ausgediente Fabrikhallen mit "Loft-Atmosphäre", die ein bißchen an das Flair der guten alten Start-ups erinnern könnten.

Frank Lichtenberg, als Snacker-Manager immer auf der Suche nach zündenden Geschäftsideen, hat sich davon jedoch nicht beirren lassen und im Osten Berlins die wohl erste reguläre Pink-Slip-Party für den deutschen Arbeitsmarkt veranstaltet. Daß sich auf dieser angeblich mehr Medienvertreter und Gesprächspartner von Unternehmen als Arbeitslose haben blicken lassen, konnte ihn ebenfalls nicht aus den Konzept bringen: Reihum soll nun alle 14 Tage in München, Hamburg, Frankfurt und Berlin gefeiert werden.

Frank Lichtenberg, für den Arbeitslosigkeit nach eigenem Eingeständnis eine "interessante" neue Erfahrung wäre, ist gut beraten, diesen Weg weiterzugehen, handelt es sich hier doch nicht um eine jener fixen und noch dazu unkommerziellen Ideen, deren die New Economy nur zu oft bezichtigt wird, sondern um die Einsicht in Prinzipien der Marktwirtschaft, die bislang noch jeden technologischen Wandel überstanden haben: Ein Mangel an Arbeitslosen kann nur eine vorübergehende Erscheinung sein. Erfolgreiche Unternehmen werden mit gereiften betrieblichen Abläufen auch ihre Personalstärke effizienter zu bemessen wissen. Die Öffnung der Grenzen für Fachkräfte und ein neuer Boom von Informatik-Studiengängen sorgt für Partygänger von morgen, wo sie heute noch fehlen mögen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen