© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
PRO&CONTRA
Cannabis für Krankenbehandlung legalisieren?
Franjo Grotenhermen / Michael Herschel

Opium darf in Deutschland legal von jedem Arzt auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden, Cannabis nicht. Einige natürliche Inhaltsstoffe des Opiums, wie vor allem Morphin und Codein, finden ebenfalls seit vielen Jahrzehnten medizinische Verwendung. Auch der wichtigste Cannabiswirkstoff, das Tetrahydrocannabinol (THC), darf seit 1998 ärztlich verordnet werden.

Die Forschung hat nachgewiesen, daß THC und natürliche Cannabisprodukte wertvolle Dienste bei einer Anzahl schwerer Erkrankungen leisten können, wie beispielsweise bei Spastik durch Querschnittserkrankungen und multiple Sklerose oder bei chronischen Schmerzzuständen.

Leider sind die legal verfügbaren THC-Medikamente sehr teuer, mehr als zehnmal so teuer wie illegales Cannabiskraut, das besser als Marihuana bekannt ist. Da die Krankenkassen die Kosten nicht erstatten müssen, ist eine Behandlung mit den verfügbaren Medikamenten für die meisten Patienten eine zwar legale, jedoch keine erschwingliche Alternative. Sie werden zur illegalen Selbstmedikation gedrängt. Die Bundesregierung befürwortet zwar in Stellungnahmen prinzipiell "den Einsatz von Arzneimitteln auf der Basis von Cannabis", lehnt es aber ab, Patienten mit einer entsprechenden ärztlichen Empfehlung eine Erlaubnis zur legalen Verwendung natürlicher Cannabisprodukte zu erteilen.

Es wird bewußt ignoriert, daß allein die Illegalität dazu führt, daß gelegentlich medizinisch minderwertige Produkte verwendet werden müssen. In Holland beliefert die Firma Maripharm Apotheken mit preiswertem, biologisch angebautem und auf seinen THC-Gehalt standardisiertem Marihuana. Vergleichbare Modelle wären auch in Deutschland rasch umsetzbar. Medizinische Cannabisnutzer werden auf die Zukunft vertröstet – in einigen Jahren sollen preiswertere Medikamente auf Cannabisbasis verfügbar werden – und heute von Richtern wegen illegalen Drogenbesitzes verurteilt. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

 

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist Vorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM).

 

 

Krebspatienten leiden neben den physischen und psychischen Folgen dieser immer noch oft tödlichen Erkrankung an Symptomen, die die Patienten, aber auch ihre Ärzte, Pfleger, ihre Familie und ihre Freunde tatsächlich zur Verzweiflung bringen können. In erster Linie ist das der Schmerz, für den eigentlich heute bereits in meisten Fällen ausreichende Präparate zur Verfügung stehen, insbesondere das Morphin und seine Verwandten (die aber in fast allen Ländern der Welt skandalös unzureichend angewandt werden). Eine andere Symptomatik ist die mit einer solchen Erkrankung einhergehende, depressive Stimmungslage, die sich mit modernen Antidepressiva häufig stabilisieren läßt.

Dennoch wird immer wieder dafürgehalten, man solle doch das Haschisch oder das Marihuana für Krebspatienten freigeben. Dagegen spricht eine Reihe von Gründen:

1.Die wirksamen Inhaltsstoffe sind in Haschisch bzw. Marihuana nicht so standardisierbar, daß eine verläßliche Wirkung erreicht wird. 2.Die stimmungsaufhellende Wirkung ist eher schwach; herkömmliche Antidepressiva sind oft besser wirksam. 3.Eine auch nur begrenzte Freigabe von sogenannten weichen Drogen würde einen Präzedenzfall darstellen, der angesichts der Beliebtheit von Haschisch als Einstiegsdroge nicht zu verantworten ist. 4.Der wirksame Bestandteil des Marihuana (Tetrahydrocannabinol – THC) ist in einer Reihe von Ländern wie z. B. in den USA, als Arzneimittel zugelassen und könnte auch in Deutschland über internationale Apotheken beschafft werden (was aber noch selten geschieht). Das heißt: Der Krebskranke (oder Aidspatient) muß nicht auf die wirksamen Bestandteile des Haschisch/Marihuana verzichten. Sie liegen als in der Wirksamkeit zuverlässige Tablette vor. Eine teilweise Legalisierung von Haschisch oder Marihuana ist somit nicht notwendig, um Patienten wirksam zu helfen.

 

Dr. med. Michael Herschel ist Arzt und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin e.V.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen