Dem bildungspolitischen Dilemma, ob Schuluniformen zu verordnen oder Lonsdale-Sweatshirts zu verbieten seien, könnte ein ganzheitliches Marketing-Konzept des Eichborn-Verlags bald Abhilfe schaffen. Von der Unterhose bis zur Schirmmütze in "Harry Potter"-Motiven eingekleidet und mit den entsprechenden Accessoires wie Griffeldose, Radiergummi und Schlüsselanhänger gewappnet, würden die Hoffnungsträger der staatlichen Rentenversicherung eine unanstößige Einheit bilden: harmonisch, aber harmlos. Die vielfältige Auswahl erzieht dazu, Entscheidungen zu fällen und ein eigenständiges Konsumverhalten auszuprägen. Wahre Individualisten tragen den Zauberhut (Artikel-Nr. 71481) oder selbstverwirklichen sich durch den Kauf eines magischen Gedankenbuchs.

Der Aufgabe der Schulen, Humanressourcen für die wirtschaftliche Nutzung zu präparieren, trägt das Angebot ebenfalls Rechnung, indem es den in jedem Bundesbürger schlummernden Willen zur corporate identity weckt. Schließlich sind auch der bebrillte Zauberlehrling und seine Freunde keineswegs Menschenkinder, sondern Patente – eingetragene Markenzeichen des Konzerns Warner Brothers, der mit dem Erwerb der Filmrechte gewiß keine Fehlinvestition getätigt hat.

Doch so gesellschaftsdynamisch hat der Verlag seinen Vorstoß gar nicht konzipiert. Angedacht ist bislang erst der Vertrieb in Buchhandlungen, auf daß "sich der gigantische Erfolg der Harry-Potter-Bücher auch bei Ihrem Merchandising einstellt": Nachdem Bücher immer virtueller gehandelt werden, ist es an der Zeit, die Interieure des Buchhandels anderweitig auszugestalten. Tatsächlich wirkt "ein zweiteiliges Wandmöbel oder eine Gondel für den Geschäftsinnenraum" optisch attraktiver als die herkömmlichen, strikt nach alpabethischen statt nach ästhetischen Gesichtspunkten bestückten Regale. Auch wer nicht liest, wird nicht länger ausgegrenzt, sondern kann sich eine Stickersammlung anlegen, in Magnetpins schwelgen, aus drei verschiedenen Keksdosen naschen und jeden Morgen einen neuen Becher entweihen. Für den reiferen Fan wurde ein Terminplaner kreiert, und Harry-Potter-Socken gibt es vorsorglich in drei Größen: "Kinder", "Jugendliche", "Erwachsene".

Die "Komplettlösung" für 12.000 Mark, bei der Eichborn die "Präsentationsmöbel" kostenlos mitliefert, werden sich nur Häuser wie Hugendubel oder Dussmann leisten. Aber schon mit der bescheideneren Grundausstattung "zeigen Sie Ihren Kunden deutlich, daß Sie offizieller Harry-Potter-Fan-Shop-Händler sind", verheißt der Katalog. Kommt die Kultur ins Kaufhaus oder das Kaufhaus zur Kultur?