© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001

 
CD: Pop/Rock
Vom Zeitgeist weg
Holger Stürenburg

Eine lange Zeit war es still gewesen um Heinz Rudolf Kunze. Seine Lieder wurden nicht mehr im Radio gespielt, seit er sich vor fünf Jahren für die Einführung einer 40prozentigen Quote für deutsche Rockmusik stark machte. Anfang 2001 gab Kunze im Musikexpress zu Protokoll: "Ich finde, daß das Wort ’Leitkultur‘ keine ’braune Spur‘ hat, wie es auf den Demo-Spruchbändern stand. Es gibt einfach Werte, an denen sich jeder orientieren sollte, der hier bei uns leben will." Am vergangenen Donnerstag nun fanden trotz fehlender Werbung für Kunzes neue Platte und seine Tournee über tausend Menschen den Weg in die Münchner Elserhalle, wo Kunze und seine vierköpfige Verstärkung gastierten und fast drei Stunden lang begeisterten.

Natürlich steht bei der diesjährigen Tournee sein aktuelles Album "Halt" im Vordergrund. Es beinhaltet 13 neue, zumeist brillante Lieder, die wesentlich wärmer, frecher und offensiver daherkommen als noch Kunzes letztes Album "Korrekt", das doch sehr kühl, maschinell, kopflastig und extrem experimentell wirkte. Im ersten Teil des gelungenen Konzertes kamen folglich viele "Halt"-Stücke zum Zuge: So das hymnische Titelstück, die Ballade "Pegasus" (auch als Single ausgekoppelt!), das böse Liebeslied "Fühlst Du das (was ich Dir sagen will?)" oder das etwas schlagerhafte Rührstück "Abschied muß man üben", das doch verdächtig an ein ähnlich betiteltes Lied von Roger Whittaker erinnert. Im schnellen Rock‘n‘Roller "Talkshow Schmutz" zieht Kunze gegen die Verblödung des Fernsehens zu Felde, in "Sie müssen mich nicht mögen" karikiert er die zunehmende Beziehungslosigkeit der heutigen Zeit.

Auch auf seine legendären Zwischentexte verzichtet Kunze diesmal nicht. Es dreht sich darin um das deutsche Radio als "Gehirnvernichtungsmaschine" und den "Tag, als ich die Beatles schmolz". Auf die Lieder der neuen CD folgte ein akustisches Intermezzo mit "Finderlohn" (1992) und "Der Abend vor dem Morgen danach" (1991): Drummer C.C. Behrens streichelte das Standschlagzeug, Bassist Raoul Walton bearbeitete den (elektronisch verstärkten) Kontrabaß, Keyborder Matthias Ulmer begab sich zum Piano, Langzeitgitarrist Heiner Lürig übernahm den Chorgesang, während Heinz Rudolf Kunze selbst die Konzertgitarre zur Hand nahm. Danach gab es einen spannenden Rückblick auf die letzten 20 Jahre Kunze: Dabei kamen die altbekannten (kommerziellen) Hits kaum zum Zuge; auf das allgegenwärtige (und langsam nervende) "Dein ist mein ganzes Herz" mußten die begeisterten Fans verzichten. Viel eher proklamierte Kunze heftig "Ich will es wissen: Warum bist Du nur so schön?" aus dem Jahre 1996, beschritt abgeklärt seine "Eigenen Wege" (1988), und drehte zum Schluß des Konzertes beim funkigen Hardrocker "Ganz nah dran" (1986) kräftig auf. "Wenn Du nicht wieder kommst" lautet ein Hit zum Mitsingen. Und diesen sangen die Fans so lange und so laut, bis es wirklich wieder kam: "Alle Herren Länder", Kunzes kleiner Hit aus dem Jahre 1999, gefolgt von der textlich eher langweiligen Durchhalteparole "Ich steh‘ Dir bei", die Kunze einst für eine Jugendserie auf SAT.1 geschrieben hat.

Musikalisch ist und bleibt Kunze eingängiger Rock, Pianoballaden; Einflüsse von Neil Young über die Stranglers bis Atomic Rooster und Pink Floyd. Avancen an den Pop-Zeitgeist gibt es kaum noch, Rap-Versuche und Trip-Hop-Ambitionen hat er anno 2001 nicht mehr. Wer klassische, gitarrenlastige Rockmusik mit intelligenten Texten mag, sollte sich die "Halt"-Tour des politisch unkorrekten Liederschreibers nicht entgehen lassen.

 

Auftritte: 5. Mai Wernesgrün, 7. Mai Magdeburg, 8. Mai Berlin, 9. Mai Leipzig, 10. Mai Dresden, 12. Mai Dorndorf, 13. Mai Münster, 15. Mai Hannover, 16. Mai Kiel, 17. Mai Hamburg.


 
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