© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Kunst: Lothar Biskys Sohn auf Tuchfühlung mit sozialistischer Kampfkunst
Guidos bunte Welt
Elvira Seidel

Das Berliner StadtmagazinTip ist dem liberalen Wonneproppen Guido Westerwelle böse, weil der Gesinnungslose, in der Annahme einer politischen Marktlücke, bekannte: "I’m proud to be a German." Westerwelle, trompetete der Tip aus, mag "den Pinsel von Norbert Bisky", dem gutaussehenden Sohn vom PDS-Lothar, und nerve überhaupt mit seinem "verkappten Jünglingshang". Der eindeutig unter die Gürtellinie zielende Text endet mit der Empfehlung: "Jetzt muß Westerwelle sich nur noch die Haare blondieren, täglich eine Armeesportübung absolvieren und sich mit den Werken von Erich Honecker stählen – dann klappt’s bestimmt auch mit den hübschen Jungs von nebenan."

Nun ist wegen dieser Injurien nicht gleich eine Neuauflage der Eulenburg-Affäre zu erwarten. Die Zeiten haben sich geändert, auch ist der Neuigkeitswert dieser Petzereien kaum größer als der des Amens in der Kirche, und für gänzlich Ahnungslose handelt der Artikel ohnehin nur davon, daß Westerwelle den jungen Maler Norbert Bisky schätzt, der auf seinen Gemälden blonde Jünglinge im Stile des sozialistischen Realismus präsentiert, von denen Westerwelle bereits drei erworben hat.

Uns soll die Glosse Anstoß für eine Reise in Guidos geistig-kulturellen Kosmos sein. Wir fragen uns einfach: Wie sind die Bilder beschaffen, vor denen Westerwelle nach anstrengendem Tagwerk in seinem Berliner Heim Erholung und kreative Inspiration sucht?

Die aktuelle Gemäldeausstellung von Norbert Bisky heißt "Wir werden siegen". Das klingt schon mal ungeheuer provokant, irgendwie nach Endsieg, zumindest aber nach Honeckers Bekenntnis: "Den Sozialismus in seinem Lauf / hält weder Ochs noch Esel auf"! Welch subversiven Umgang pflegt Guido da? Hat Gysi ihn in diesen braun-roten Sumpf gelockt, oder gar Möllemann? Und was wird, nach dieser Kompromittierung, aus seiner Karriere?

Gemach, gemach! Guido, dem man nur ein einziges Mal in die stahlblau-kalten Augen geblickt haben muß, um zu wissen, daß Machtwille unbezwingbar und Feindschaft tödlich sein kann, hat wie stets sein Tun knallhart kalkuliert. Über die Ausstellung ist bloß zu sagen: Sie ist gefällig und amüsant, ein Event mit Spaßfaktor. Biskys Bilder sind dermaßen harmlos, daß man sie vergessen hat, sobald man die Galerietür hinter sich schließt.

Auf den großformatigen Bildern fallen zuerst die plakativen Farben ins Auge, dann die vielen Jungs und wenigen Mädels, die im sportlichen Wettkampf, in vormilitärischen Geländespielen oder einfach in Siegerpose begriffen sind. Diese beschränkten, aber glücklichen Wesen, deren kühne, zukunftsfrohe Blicke die Diagonale oder Vertikale beherrschen, sind Kinder einer schönen Neuen Welt. Das alles kommt sehr popartig daher, enthält Anspielungen an Leni Riefenstahl und den sozialistischen Realismus und erinnert an Lesebuch-Illustrationen aus der DDR und dem Dritten Reich. Bisky spielt mit der Ambivalenz und Koinzidenz von Rot und Braun. Weil die Knaben oft nur ein knappes Höschen anhaben, ist nie ganz klar, ob sie ihren Körpereinsatz zum Ruhme der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" oder der HJ unter Beweis stellen. Bildtitel wie "Die Fahne ist niemals gefallen" zitieren Kampf- und Pionierlieder, die in den DDR-Schulen bis zum Überdruß geübt wurde, und erinnern zugleich an den "Hitlerjungen Quex". Unbedarften Betrachtern, die immer noch nichts kapieren, hilft Bisky schließlich mit "Alexander – IM des Monats" und "Alle wollen den Führer sehen" auf die Sprünge. Kurzum: Bisky verrührt das ikonographische, politische und verbale Inventar der Diktaturen mit nicht mehr ganz taufrischer Pop-Art-Ästhetik. Das Ergebnis ist sterile Erotik und infantile Barbarei. Biskys – mit Verlaub – Pinselführung ist gar nicht mal schlecht. Doch statt einer künstlerischen Handschrift verrät sie nur die Raffinesse des Handwerkers, der die immer gleiche Idee seriell durchexerziert. Wenn man ein einziges Bild erstmal begriffen hat, kennt man bereits das Grundprinzip der gesamten Ausstellung. Bisky spielt mit der künstlerischen Provokation, ohne sie ein einziges Mal zu wagen, und erschöpft sich in harmlosen Knalleffekten, die zum Kichern sind, aber keiner weiteren Auslegung bedürfen. Die Gemälde folgen den Gesetzen der Reklame, der künstlerische Mehrwert tendiert gegen Null. Bisky betreibt das altbekannte, frivole Spiel mit der eigenen Unverbindlichkeit. Er ist noch kein Künstler, sondern ein talentierter Marktlückenausfüller im deutschen Kunstbetrieb. Folgerichtig gehen seine Bilder weg wie warme Semmeln, für Preise zwischen 3.000 Mark und 12.000 Mark.

Bisky wurde 1970 geboren. Als er das Licht der DDR erblickte, lag längst Mehltau über dem Land und der Gesellschaft. Die jugendliche Aufbruchstimmung, von denen die Erzählungen der Alten berichten und die er in seinen Bildern monoton paraphrasiert, hat er gar nicht selber erlebt. Statt sich intensiv mit deutscher Geschichte und Zeitgeschichte zu beschäftigen, hat er sich bloß anhand alter Defa-Wochenschauen (und Riefenstahl-Filme) kundig gemacht und die drallen Mädels und Buben, die unter Stalins Banner strahlend in die Zukunft zu marschieren meinten, auf die Leinwand übertragen. Das Ergebnis sind keimfreie Spaß-Comics.

Die Bemerkungen im Gästebuch reichen von: "So schön optimistisch!" bis: "Was sollen bloß unsere ausländischen Gäste denken?" Nur einer hat gemerkt, daß der Kaiser gar nichts anhat, und festgestellt: "Das Thema ist erschöpft. Wie geht es weiter?"

Ja, wie geht es weiter? Von Guido weiß man es längst, der wird Parteichef, irgendwann Außenminister, Vizekanzler und schließlich Bundespräsident oder Nato-Generalsekretär. Und Norbert Bisky wird ihm dann gewiß seine Amtszimmer ausstatten. Wenn aber Bisky noch kein Künstler ist, dann ist Westerwelle in Wahrheit vielleicht noch gar kein richtiger Politiker? Jedenfalls haben die beiden viel gemeinsam: Sie reduzieren die Kommunikation auf oberflächliche Reizwörter und die deutsche Geschichte, je nachdem, auf ein Spaß- oder Gruselarsenal. Beide kultivieren den spielerischen Unernst, schwimmen mit dem Strom und gelten dabei als Avantgarde. Weil es Schlagzeilen bringt, bekennen sie schon mal "I’m proud to be a German" oder malen Bilder mit IM Alexander und mit Kindern, die auf ihren Führer warten, und betreiben Entertainment, das sich selbst genug ist! Und wer weiß, wenn eines schlimmen Tages recht viele Wähler und Konsumenten einen Führer oder Honecker-Nachfolger wollen, wenn sich also eine reale Marktlücke auftut und Guido, der die Leute doch immer dort abholt, wo sie sich am liebsten aufhalten, ohne zu wissen, wo er sich selber gerade befindet – aber halt, wir wollen das lieber nicht weiterspinnen!

Der Gedanke, daß Nobert Bisky dabei zu Guidos Hofkünstler avanciert, macht den Gedanken an Westerwelles Aufstieg auch nicht erträglicher. Ach Guido, muß es unbedingt die Politik sein? Komm doch erstmal zu Dir! Mach Pause! Denk nach! Erkenne dich selbst!

 

Die Ausstellung ist bis zum 28. April geöffnet in der Galerie Michel Schulz, Mommsenstr. 34, Berlin. Der Katalog kostet 40 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen