© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
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Wien: "Krone"-Kolumnist "Staberl" ist auf Urlaub
Jörg Fischer / Gustav Domberg

Wiens Neue Kronen Zeitung – mit über 700.000 täglich verkaufter Exemplare das meistgelesene Blatt Österreichs und im Verhältnis zur Bevölkerungszahl die meistgelesene Tageszeitung Europas – ist um eine publizistische Säule ärmer: Seit Ende März suchen die Krone-Leser vergeblich nach dem täglichen "Staberl". Kolumnist "Staberl" – bürgerlich: Richard Nimmerrichter – wurde mit diesen dürren Worten verabschiedet: "Staberl bis Ende April auf Urlaub".

Das ließ aufhorchen: "Staberl" hatte sich erst im Januar anläßlich seines 80. Geburtstages gerühmt, niemals in seiner jahrzehntelangen Kolumnisten-Zeit Urlaub gemacht zu haben – jedenfalls nicht in der Art, daß er seine Kolumne nicht geschrieben und die Krone diese nicht gedruckt hätte. Es mußte also etwas geschehen sein. In der Wiener "Gerüchteküche" hieß es, zwischen "Staberl" und seinem mächtigen Verleger, dem auch 80jährigen Hans Dichand, sei es zu einem Zerwürfnis gekommen. "Staberl" hatte eine Kolumne geschrieben, die sich kritisch mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, beschäftigt habe, der seinerseits wieder mit Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider im Clinch liegt. Sein Freund Dichard hätte den Text abgelehnt.

Letztes Jahr hatte "Staberl" in einem Gespräch mit der JF (35/00) seinen Verleger noch gerühmt, weil ihm in vier Jahrzehnten bei der Krone noch nie ein Text zensiert wurde. Auf Anfrage der JF erklärte "Staberl" jedoch, lediglich bei der Suche nach einem Nachfolger anderer Meinung zu sein. Ob der 80jährige, aber dabei fidele und geistig präsente "Staberl" die gleiche Erfahrung machen mußte wie seinerzeit JF-Kolumnist "Pankraz" alias Günter Zehm in Deutschland, läßt sich nicht definitiv sagen.

"Staberl" hatte in Wien und Österreich zwar viele Feinde – aber noch mehr Bewunderer. Er galt als konservativer, populistischer (weil volkstümlicher) Kolumnist, der allen "Linken" nichts schuldig blieb. Selbst die anerkannte Tageszeitung Die Presse ließ ihrer Schadenfreude über den "Staberl"-Abgang freien Lauf und fragte: "Wer weist uns nun den Weg durchs Spiegelkabinett der politischen Skurrilitäten?" Schon vor Jahren hörte man, daß "Staberl" seine Themen aussuchte, indem er dem Volk aufs Maul schaue. So soll er sich mit Vorliebe in die öffentliche Sauna gesetzt und einfach zugehört haben, worüber die schwitzenden Saunagäste sich am liebsten unterhielten. Danach suchte er sich ein Kolumnenthema aus. "Staberl" verteidigte Österrreich gegen die Sanktionen und machte sich über "Joschka" Fischer lustig: Er war die Stimme des "kleinen Mannes", der in Österreich noch weniger links ist als anderswo. Alles wartet jetzt gespannt auf die Rückkehr des Verschollenen. Wird er sich versöhnen lassen und bei der Krone weitermachen als sei nichts geschehen?

Mit "Staberl" hat einer der profiliertesten "nicht-linken" Meinungs-Journalisten des deutschsprachigen Raumes die "Kommandobrücke" verlassen. So skurril er wirken mochte – für "Staberl" gibt es keinen Ersatz. Denn wer schreibt heute noch ungestraft: "Die nach dem Hinauswurf der sogenannten Liberalen aus dem Parlament nunmehr unnötigste politische Partei seit langem, die unter Führung des scheinheiligen Professors Van der Bellen stehenden Grünen also, haben jetzt die Polizei angekläfft …"


 
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