© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Gut und Böse
Zum Deutschlandlied
Philip Plickert

Zur Melodie von Joseph Haydns "Kaiserhymne" dichtet 1841 auf der Insel Helgoland August Heinrich Hoffmann von Fallersleben das "Lied der Deutschen". In der Zeit des Vormärz und der politischen Zensur drückte das Lied den Wunsch nach einem geeinten, freiheitlichen Vaterland aus. "Deutschland, Deutschland über alles" war nicht als Aufruf zum Kampf gegen andere Staaten zu verstehen, sondern als Absage an Kleinstaaterei und Willkürherrschaft der Fürsten. Den Breslauer Literaturprofessor Hoffmann von Fallersleben kostete die Veröffentlichung seiner "Unpolitischen Lieder" damals die Stellung.

Friedrich Ebert, der erste sozialdemokratische Reichspräsident, erklärte 1922 das Deutschlandlied zur offiziellen Nationalhymne der jungen Weimarer Republik. Nach der NS-Zeit, in der im Regelfall nur die erste Strophe des Deutschlandsliedes in Verbindung mit dem Horst-Wessel-Lied gesungen wurde, und der Gründung der Bundesrepublik verständigten sich Konrad Adenauer und Theodor Heuss 1952 in einem Briefwechsel erneut auf das Deutschlandlied mit allen drei Strophen als Nationalhymne. Es solle jedoch bei offiziellen Anlässen nur die dritte Strophe gesungen werden, erklärte Adenauer mit Rücksicht auf die Alliierten.

Nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit legten 1991 Helmut Kohl und Richard von Weizsäcker die ersten beiden Strophen endgültig ad acta. Die politische Argumentation ist nur schwer nachvollziehbar. Wie kann die dritte Strophe eines Liedes als Nationalhymne hochgelobt sein, während die ersten beiden Strophen offiziell verpönt sind? Liegt das Gute so nah beim Bösen?


 
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