© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/01 13. April 2001

 
Frisch gepresst

Letzte Blicke. Am 3. März 1945 stand der Ortsgruppenleiter Arthur Wolff in Meesow, wo einst Bismarck vom nahen Kniephof gern zu den Dewitzens herüberkam, am Straßenrand, versuchte Männer für den Volkssturm zu gewinnen und rief den vor der Roten Armee Flüchtenden im pommerschen Platt zu: "Keels bliewe hier!" Aber die alten Gespannführer antworteten ihm nur lakonisch: "Bliew Du hier, wi fuire!" und zogen ihres Weges. Gerade rechtzeitig, bevor die, die blieben, zum Tode "befreit" wurden. Meesows Kreisstadt, Regenwalde, kann man sich nun im atemberaubenden Bildband Wolfgang Krefts ("Das östliche Mitteleuropa im historischen Lichtbild. Bildflüge 1942–1945 über Brandenburg, Ostpreußen, Polen, Pommern und Schlesien", Verlag Herder-Institut, Marburg 2000, 271 S., Abb., 49,00 Mark) von oben ansehen, fotografiert vom 5. März 1945. Oder man versenkt sich in die Aufnahmen des schon verlassenen Trakehnen, des niederschlesischen Schlosses Carolath, der filigranen Schnee-Ästhetik von Hardteck im Kreis Goldap, des von frischen Kampfspuren gezeichneten Panzerin im Kreis Belgard und in die zumeist tief ins 13. und 14. Jahrhundert führenden historischen Erläuterungen. Daß aber – nicht nur ostdeutsche – Betrachter angesichts dieser "der Zeit entzogenen Fragmente des Daseins" (Marcel Proust) sich so bald aus dem Malstrom der Melancholie werden retten können, ist mehr als unwahrscheinlich.

Vertreibung. Das Urteil über K.Erik Franzens Opus ("Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer", Propyläen, Berlin 2001, 288 S., Abb., 39,90 Mark), das als "Begleitbuch" zur ARD-Dokumentation dient, muß so zwiespältig ausfallen wie das über die TV-Serie: Zwar werden Verbrechen an Deutschen dargestellt, aber es wird massiv "relativiert". Obwohl die neuere Forschung nachweist, daß ein Kausalnexus zwischen deutschen Untaten in Osteuropa und den Barbareien der Roten Armee in Ostdeutschland fehlt, erzählt Franzen uns wieder die Mär von "Rache" und "Vergeltung". Und sein reduktionistisches Geschichtsbild gewinnt dort demagogische Züge, wo allein historische Tiefenschärfe eine zureichende Erklärung ethnischer Konflikte geboten hätte. Franzens entstellende Verkürzungen zur Geschichte der preußisch-deutschen Ostprovinzen mindert daher den Wert des gut bebilderten Werkes sehr.


 
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