© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/01 13. April 2001


Eisbrecher
von Anne Scholz

Während sich das Verhältnis zwischen den USA und Rußland in Richtung "Kalter Krieg" abkühlt, scheinen die deutsch-russischen Beziehungen beinahe in einen politischen Frühling überzugehen. Der neue Besuch Schröders in Rußland paßt daher nicht so recht in eine neue West-Ost-Eiszeit. Vielmehr läßt sich die Visite in eine deutsch-russische Sondersituation mit vielen positiven Ansätzen einordnen, die in Washington überwiegend auf Unbehagen stoßen wird.

Zwar erhält Schröder den Auftrag, protokollarisch Menschenrechte und Pressefreiheit einzufordern, doch ist der Besuch eher Ausdruck einer vertrauensvollen Außenpolitik, die die deutschen Eigeninteressen und die Zusammenarbeit in den Vordergrund stellt. Schröder kündigte vor dem Petersburger Treffen eine "Neue Normalität" an, die über die Einforderung wirtschaftlicher Interessen und die Bedienung der Auslandsverbindlichkeiten weit hinausgeht. Damit wird Washington verdeutlicht, daß die Zeiten des kritiklosen Abnickens durch den Juniorpartner langsam enden. Die US-Raketenabwehrpläne werden hinter vorgehaltener Hand massiv kritisiert.

Mit dem selbstbewußteren Auftreten werden aber alte Ängste in Deutschland wieder wach: Wie reagiert Washington, sollten die Deutschen es wagen, sich nach Osten zu orientieren? Die Konfrontation, die Bush mit Peking und Moskau sucht, beschleunigt den Emanzipationsprozeß Berlins und zugleich seine Unsicherheit. Es ist zu befürchten, daß der deutsch-russische Frühling nicht allzu warm und Berlin mahnend zurückgerufen wird.


 
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