© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/01 30. März 2001

 
"Auch wir haben ein ökologisches Interesse"
Interview mit der rechten Atomkraft-Gegnerin "Lydia" über den nonkonformen Castor-Widerstand
Moritz Schwarz / Björn Rusinowski

Lydia, Sie nehmen mit Ihrer nonkonformen Gruppe an den Demonstrationen gegen den Castor teil. Warum wollen Sie sich nicht zu erkennen geben?

Lydia: Die vielen Linken hier sind erfahrungsgemäß nicht fähig, friedlich zu bleiben, gäben wir uns zu erkennen. Sie können eine andere Meinung neben sich einfach nicht ertragen, so wie wir ihre und all die anderen fremden Meinungen neben uns Tag für Tag ertragen müssen. Leider können sie nicht wenigstens einmal der gemeinsamen Sache gegen den Castor, die doch ein ganzes Volk angeht, den Vorrang geben. Gleich kommt diese aggressive Haltung gegen Rechts durch. Und wir haben gegen deren Masse keine Chance.

Sie fürchten um Ihre Sicherheit?

Lydia: Wir haben genug andere Demonstrationen erlebt, bei denen wir angegriffen worden sind. Hier sind wir unter Tausenden Linken! Glauben Sie mir, es reicht einer, der tätig wird, die anderen machen dann schon mit.

Wäre es aber nicht nötig, Flagge zu zeigen?

Lydia: Natürlich! Und von uns bleibt keiner zu Hause, nur weil hier draußen zu viele Linke sind. Aber leider hat es absolut keinen Sinn. Uns wird von den Linken angehängt, wir würden alles nur für politische Zwecke "ausnutzen" wollen. Alles, was Rechts ist, muß schlechtgemacht werden. Das geht übrigens nach dem Denkmuster, das Sie bei vielen einfacher Leute hier finden: "Atomgegner sind Linksradikale – ich bin nicht links, also bin ich für Atom." Katastrophal. Bei Linken funktioniert das genauso, nur andersherum: da Rechte nicht gegen Atom sind, meinen sie, jene, die da sind, seien nicht ehrlich. Dabei haben wir natürlich genauso ein ökologisches Interesse – schließlich sind wir vom Erhalt unserer Umwelt ebenso abhängig wie alle anderen Menschen auch.

Ganz konkret – warum demonstrieren Sie?

Lydia: Wir sind enttäuscht, daß die Regierung gegen das eigene Volk handelt. Die Linken lassen sich das nicht bieten, rebellieren dagegen und sind tätig – ich muß zugeben, das finde ich klasse. Wir wollen diesen strahlenden Müll nicht hier in unserer Heimat haben. Der Transport, der jetzt kommt, umfaßt sechs Castoren mit zusammen 85 Tonnen Müll. In La Hague lagern aber noch weitere 4.000 Tonnen, und was in den nächsten drei Jahrzehnten noch anfällt, können Sie sich ja vorstellen. Außerdem halten wir Atomenergie für kurzsichtig: Wenn in dreißig Jahren der Ausstieg vollendet werden sollte, dann haben zwei Generationen davon profitiert, aber siebzig werden darunter leiden! Die Regierenden denken kein bißchen national in dieser Sache, das heißt, wie sie mit den Menschen umgehen. Und sie denken auch nicht an die Umwelt. Der Volkswille, wie er hier jeden Tag – egal, ob Linke, Rechte, Mitte – auf der Straße zum Ausdruck kommt, interessiert überhaupt nicht. Den Rechten, die hier hingehen, stinkt das, deshalb wollen sie Castor verhindern.

Beteiligen Sie sich an den allgemeinen Aktionen, oder bleiben Sie unter sich?

Lydia: Wir nehmen bis zu einem gewissen Grad an den allgemeinen Aktionen teil. Ansonsten arbeiten wir in unserer Gruppe selbständig, zum Beispiel mit einem eigenen Transparent.Wenn die Bürger, die Familien mit den Kindern weg sind und nur noch die Linken bleiben, gehen wir auch.

Verraten die Transparente etwas von Ihrer heimattreuen Haltung?

Lydia: Nein, sie gelten nur dem Kampf gegen Castor. Etwa: "Wenn Ihr unser Leben nicht achtet, achten wir Eure Gesetze nicht".

Wie definieren Sie Ihre Haltung?

Lydia: Wir sehen uns als "national" an, wir kommen überwiegend aus dem Bündischen. Unsere Gruppe ist ein freier Kreis und gehört keinem Bund an und steht keiner Partei nahe. Wir können dem Staat zwar nicht die deutsche Flagge zeigen, aber wir zeigen ihm, daß Castor eine Volkssache ist. Eine Gemeinsamkeit mit all den Menschen, die sonst ganz anders denken als wir.

 

"Lydia", Anfang dreißig, lebt im Landkreis Lüchow-Dannenberg und möchte aus dargestellten Gründen anonym bleiben. Der Name ist der Redaktion bekannt.

 

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