© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
CD: Rock / Pop
Jubiläum
Holger Stürenburg

Schon bei den ersten Gitarrenakkorden der Neuaufnahme von "Samstag Abend in unserer Straße" hört man überdeutlich: Maffay rockt wieder! So intensiv wie seit Jahren nicht mehr. Der Blues hat ihn wieder gepackt; die experimentellen Klänge der letzten zwei, drei Alben gehören der Vergangenheit an. Zu seinem dreißigjährigen Bühnenjubiläum hat Maffay seine alte Kraft zurückgewonnen, wie seine neue CD beweist.

Dreißig Jahre Peter Maffay heißt: dreißig Jahre Riesenerfolge, große Hits, viele Auszeichnungen, ausverkaufte Tourneen, eine Vielzahl von Alben und Singles, die heute zu den Klassikern der deutschen U-Musik gehören. "Heute vor dreißig Jahren" (so auch der Titel der neuen CD) begann der aus Rumänien stammende Peter Alexander Makkay seine Karriere mit der Superschnulze "Du". Doch bald wurden seine Songs rockiger, bluesiger, aggressiver. Ab seinem 79er-Album "Steppenwolf" ließ der inzwischen in Lederkluft auftretende Sänger und Gitarrist seine Schlagervergangenheit endgültig hinter sich. In den Neunzigern trat er einerseits mit dem Märchenmusical "Tabaluga" an die Öffentlichkeit, andererseits mit oft sehr experimentellen, übertrieben modernistischen Rockalben.

Im Sommer vorigen Jahres hatte er sich zusammen mit seiner ihn seit zwanzig Jahren begleitenden Band in ein Tonstudio auf Mallorca zurückgezogen und sich dort in aller Ruhe viele seiner alten Hits vorgenommen. Mit Bertram Engel am Schlagzeug, Ken Taylor am Baß, Jean-Jacques Kravetz bzw. dessen Sohn Pascal an den Tasten und seinem Gitarrentrio Frank Diez, Andreas Becker und Carl Carlton wollte er herausfinden, wie seine Klassiker der letzten dreißig Jahre heute klingen würden.

Für die Jubiläums-CD suchte sich Maffay nur seine bekanntesten Lieder heraus und verlieh ihnen eine ganz neue Ausrichtung. "Samstag Abend", der Eröffner des Albums, ist deftiger Rhythm’n’ Blues, "So bist Du" (erstmals 1979 veröffentlicht) zieht im Tempo enorm an und wird zum countrylastigen Popsong. Erstmals dröhnen bei "Und es war Sommer" (1976) die Hardrockgitarren. "Weil es Dich gibt" ist keine Schnulze mehr, sondern ein urbaner Synthirock mit Slidegitarre. "Liebe wird verboten", Maffays Stellungnahme zum Orwell’schen Überwachungsstaat, könnte in aktuellem Gitarrenrockgewand von Bloodhound Gang- oder Pearl Jam-Fans ihren eigentlichen Idolen vorgezogen werden. Auch "Josie" (hier eine Art A-cappella-Hip Hop), "Über sieben Brücken mußt Du gehen" (mit Streichorchester und Chören neu arrangiert) oder die schon immer etwas peinliche Ballade "Tiefer", nahezu akustisch neu eingespielt, gewinnen in den aktuellen Arrangements an Charme, Ausdruck und Intensität. Besonders gelungen sind die Funkversion des einstigen Bluesrockers "Schatten, in die Haut tätowiert" und vor allem die völlig synthilose, gitarrenbetonte, mit herrlich röhrender Hammondorgel angereicherte Rockversion von "Sonne in der Nacht", Maffays Romantik-Klassiker aus dem Spätsommer 1985. Dem Betroffenheitslied "Eiszeit" verleit das neue Arrangement wesentlich mehr Tiefe und Ausdruck, als es beim Original der Fall war. Aus den Neunzigern haben es auf "Heute vor dreißig Jahren" nur das schon in seiner Originalfassung vor einem Jahr schreckliche "Rette mich" und das pathetische "Siehst Du die Sonne" geschafft.

"Heute vor dreißig Jahren" führt vor, wie viele interessante Facetten eigentlich simple Rocksongs haben können, auf welche vielfältige Weise man diesen durch veränderte Arrangements eine ganz andere Aussagekraft zuerkennen kann.

Zum Schluß dieses durchgehend gelungenen Albums kommt natürlich auch "Du" zum Zuge. Mit einer guten Portion Selbstironie und Augenzwinkern transferiert Maffay die einst wahrlich sämige Schnulze zu einem faszinierenden, wiegenden Bluesrock.


 
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